Schweikert, Ulrike: Pyras – Die Erben der Nacht 3 (Buch)

Ulrike Schweikert
Pyras
Die Erben der Nacht 3
Titelillustration von Paolo Barbieri
cbt, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 542 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-570-30480-8

Von Carsten Kuhr

Das Ende des 19. Jahrhunderts ist eine Zeit der Umwälzungen. Die Industrialisierung schreitet voran, Edisons Glühlampe erobert die Straßen und auch die Geschöpfe der Nacht müssen sich anpassen. Aus Furcht vor Auslöschung haben sich die verfeindeten Clans dazu durchgerungen, ihre Zukunft, die heranwachsenden Vollvampire, jeweils über den Sommer bei einer der Sippen in Ausbildung zu geben. Nachdem der Nachwuchs in Rom das Ertragen klerikaler Zeichen erlernte und sie in Irland das Gestaltwandeln übten, sollen sie dieses Jahr in Hamburg nicht nur das Überqueren gezeitengängigen Wassers erlernen, sondern auch näher mit den Errungenschaften der Menschen vertraut gemacht werden.

Eine Stadtsanierung, um an der Stelle des vampirischen Nestes einen Freihafen zu errichten, zwingt die Schüler dann kurzfristig den Clan zu wechseln. In den Katakomben unterhalb von Paris sollen sie bei den Pyras den Sommer über nicht nur die Beherrschung der intelligenten Ratten erlernen, sondern auch ihre Widerstandskraft gegen Knoblauch stärken.
Als Wissenschaftlern, die sich auf die Jagd nach dem des Phantom von der Oper aufgemacht haben statt des erkorenen Wildes ein Vampir buchstäblich ins Netz geht, beteiligen sich auch unsere Studenten an der Suche nach dem Vermissten. Dabei aber stoßen sie auf einen alten, längst besiegt geglaubten Feind, der sich einmal mehr die Ausrottung aller Vampire auf die Fahnen geschrieben hat. Mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bedroht er das Überleben der Geschöpfe der Nacht. Nur dem Eingreifen unserer Helden und ihres kundigen Verbündeten, des Phantoms, ist es zu verdanken, dass die Pyras noch eine Chance haben

Ulrike Schweikerts Jugendbuchreihe um die Erben der Nacht erweist sich einmal mehr als spannende Lektüre. Nach einem fulminanten Auftaktband, »Nosferas«, konnte der zweite in Irland spielende Teil (»Lycana«) die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Die Autorin, die ihre Handlungsorte immer minutiös recherchiert, die Städte bereist und so ein überzeugend realistisches Bild vermitteln kann, hatte es mit ihrer Begeisterung für die grüne Insel ein wenig übertrieben.
Vorliegend kehrt sie in ein urbanes Umfeld zurück, und weiß sowohl in der Hansestadt Hamburg wie im Paris des Jahres 1780 zu überzeugen. Die Katakomben unterhalb der französischen Hauptstadt, Montparnasse, Notre Dame – geschickt lässt Schweikert hier Eindrücke und Beschreibungen in den Text einfließen und stattet diesen damit mit einem gehörigen Maß an innerer Überzeugungskraft aus.Natürlich bieten die Stollen und Höhlen unterhalb von Paris eine beeindruckende Kulisse für ihre Handlung. Dabei greift sie geschickt die Mär vom Phantom der Oper auf, weckt mit der leidvollen Geschichte des missgestalteten Mannes unser Mitgefühl. Gleichzeitig erfahren ihre Hauptpersonen von diesem neue Fakten über die Vampirgesellschaft. Ein siebter Clan, noch unbenannt, taucht auf, transsylvanische Blutknechte, und man kann schon vorhersehen, dass es in den nächsten Bänden sicherlich zu einem dramatischen Konflikt zwischen den bekannten gemäßigten Vampiren und den ungezügelten Bluttrinkern aus dem Osten kommen wird.

Geschickt entwickelt die Autorin ihre Hauptpersonen weiter. Nach wie vor nehmen die gegenseitigen Animositäten und zaghaften emotionalen Öffnungen zueinander breiten Raum ein, man merkt aber deutlich, dass die Gestalten innerlich reifen. Stand zu Beginn die gegenseitige Konkurrenz im Vordergrund, wird nun mehr und mehr versucht, den faszinierenden Anderen näher kennenzulernen und zu beeindrucken. Die so unterschiedlichen vier Vampire lernen einander immer mehr zu vertrauen, wachsen zu einer schlagkräftigen Einheit, deren Stärken sich gegenseitig ergänzen.

Mit großem Einfühlungsvermögen und einem faszinierenden, atmosphärisch dichten Ambiente fesselt die Autorin ihre Leser dieses Mal wieder an die Seiten, und weckt Interesse darauf, wie sie ihre Handlung wohl fortsetzen wird.