Terry Pratchett: Steife Brise – Ein Scheibenwelt-Roman (Buch)

Terry Pratchett
Steife Prise – Ein Scheibenwelt-Roman
(Snuff)
Aus dem Englischen übersetzt von Gerald Jung
Titelillustration von Tom Steyer
Manhattan, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 446 Seiten, 17,99 EUR, ISBN 978-3-442-54705-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Urlaub – jeder freut sich darauf, einmal ausspannen zu können, nicht an die Arbeit zu denken und die Seelen baumeln zu lassen. Jeder? Nein, nicht jeder, denn Sir Samuel Mumm, Herzog von Ankh und Kommandant der Stadtwache von Ankh-Morpork, geht ganz in seinem Beruf auf. Doch auch er muss einmal durchatmen, es sich gut gehen lassen – so zumindest die einhellige Meinung seine Angetrauten Lady Sybil und Lord Vetinaris.

Auf geht’s also zum von oben verordneten Erholungsurlaub auf den hochherrschaftlichen Landsitz, den Lady Sybil in die Ehe eingebracht hat. Hier, in idyllischer Umgebung, soll Klein-Sam den mannigfaltigen Geheimnissen des unterschiedlichen Kakas der Tiere auf die Spur kommen und sein Vater zusammen mit den örtlichen Honoratioren Teekränzchen und Soirees über sich ergehen lassen. Doch merke, wo ein Polizist ist, da ist ein Verbrechen nicht weit – zumindest wenn man die Augen offen hält und auf die Instinkte hört. Nur zu bald ist Mumm daher wieder einmal bis zu den Schultern in die Ermittlung eines Mordes verwickelt. Selbst seine Holde hat ihm die Absolution erteilt, wurde doch ein junges Mädchen bestialisch hingemetzelt. Dass es sich bei dem Opfer um ein Goblin-Mädchen handelt, eine Rasse, die gemeinhin nicht wirklich als intelligent oder nützlich wahrgenommen wird, ja der jegliches Recht als lebende, fühlende Wesen abgesprochen wird, macht Mumm nur umso wütender. Goblins leiden, trauern und fürchten sich wie Menschen, Zwerge oder Trolle – warum also verweigert man ihnen das Recht zu leben und behandelt sie wie Dinge?

In der Folgezeit stößt er auf Hinweise, dass die Goblins als Sklaven missbraucht werden. Dass man von Seiten seiner adeligen Nachbarn versucht, seine Ermittlungen zu torpedieren spornt ihn nur noch mehr an. Zusammen mit seinem Leibwächter Willikins und dem örtlichen Polizisten macht er sich auf die Jagd nach den Tätern und deren Hintermänner…

Der neue „Scheibenwelt“-Roman ist da. Das freut Leser, Fans und Buchhändler gleichermaßen, bürgten die Romane aus der Feder PTerrys doch fast durchweg für tiefsinnigen, dabei urkomischen Lesespaß. Nun wird kolportiert, dass Sir Terry, der unter einer schweren, unheilbaren Krankheit leidet, die Romane gar nicht mehr selbst verfasst, dass ein Ghostwriter nach seinen Entwürfen die Bücher zu Papier bringt. Ob dies zutrifft, wissen nur die Beteiligten selbst. Auch der verlagsseitige Wechsel des Übersetzers, die neue Titelbildgestaltung und die Präsentation als Paperback statt eines Hardcovers hat für viel Aufregung bei den Leser gesorgt. Man wollte mit der veränderten Ausstattung, so zumindest die Auskunft des Verlages, auch Leser außerhalb des Fantasy-Bereichs ansprechen, die neuen Übersetzer sollten den philosophischen Aspekten Pratchetts mehr Geltung verschaffen.

Das vorliegende Titelbild, das sich vom Motiv her an das Englische anlehnt, ist … nun nennen wir es einmal gewöhnungsbedürftig. Ob hier Belletristik-Leser angesprochen werden, wage ich persönlich zu bezweifeln.

Inhaltlich aber bietet sich der Plot zwar nicht zu tiefschürfend, aber doch gegenüber dem „Club der unsichtbaren Gelehrten“ deutlich unterhaltsamer und runder an. Zwar ist auffällig, dass TOD erstmals keinen Auftritt hat, doch dafür stehen mit Mumm und dessen Gattin zwei Handlungsträger im Mittelpunkt, die mit ihrer direkten, anpackenden Art den Einstieg in den Plot leicht machen.

Vorliegend geht es verklausuliert um Sklaverei, Drogenmissbrauch, um Diskriminierung, um Korruption und um Kindererziehung (na ja, mehr oder weniger zumindest). Auch wenn Mumm vorliegend ein wenig arg polternd durch die freie Natur läuft – vergessen wir dabei nicht, dass es sich bei ihm immer noch um ein Straßenkind aus Ankh-Morpork handelt – unterhält der Roman gut. Sicherlich gibt es bessere, tiefschürfendere „Scheibenwelt“-Titel, doch auch deutlich schwächere Romane. Die Handlung ist spannend und stringent, wenn auch nicht unbedingt wirklich überraschend angelegt, die Aussagen des Autors zur Freiheit der Individuen wirken nicht aufgesetzt sondern sind überzeugend in den Plot integriert worden.

Insoweit ein ordentlicher, ja ein guter, weil sehr tempo- und handlungsreicher „Scheibenwel“t-Roman, der den Leser zum einen an die Seiten fesselt, der zum anderen aber auch einmal wieder zum Nach- und Mitdenken anregt.