Freund, Peter: Ayani – Die Tochter des Falken – Mysteria 2 (Buch)

Peter Freund
Ayani – Die Tochter des Falken
Mysteria 2
Titelillustration von Elizaveta Reich
cbj, 2009, Hardcover, 558 Seiten, 18,95 EUR, ISBN 978-3-570-13724-6

Von Carsten Kuhr

Genau ein Jahr ist es her, dass uns Peter Freund das erste Mal nach Mysteria, der Welt hinter den Nebeln, entführt hat.
Erinnern wir uns kurz zurück. Niko, unser junger Held, ist eigentlich ein ganz normaler Junge. Schule, dazu sein Hobby, der Kampfsport, und Lesen füllen seine Freizeit aus. Als er mit seiner alleinerziehenden Mutter in den Sommerferien seine Großeltern auf dem Land besucht, befürchtet er, dass er vor Langeweile sterben wird.

Eine gleichaltrige Nachbarin, Jessi, ist der erste Lichtstreif am Horizont. Dann geht es Schlag auf Schlag. Niko wird in eine Parallelwelt versetzt, in der er nicht nur seine Zwillingsschwester Ayani kennenlernt, sondern auch seine Bestimmung erfährt. Es gilt nicht nur, den Tyrannen Rhogarr vom Thron zu stoßen, sondern auch seinen verschollenen Vater, den rechtmäßigen Herrscher Mysterias, zu finden. Mit der Hexe Saga haben unsere drei so unterschiedlichen Helden, Jessi folgt ihm in die Parallelwelt, bereits unliebsame Bekanntschaft gemacht. Trotz energischen Widerstands Sagas aber gelingt es ihnen nicht nur, das magische Schwert Sinkkalion an sich zu bringen, sondern auch dem Usurpator eine erste schmerzlichen Niederlage beizubringen.

Nun aber droht neues Ungemach. Während Ayani sich aufmacht, hinter den Inseln der Tränen ihren verstorbenen Pflegebruder aus den Hallen der Toten zu befreien, erkrankt Jessi schwer. Nur wenn sie rechtzeitig in ihre Welt zurückkehrt, kann sie gerettet werden. Die einzige Möglichkeit zum Wechsel zwischen den Welten aber hat ausgerechnet Saga in ihrem Besitz. Und so heißt es erneut, die Konfrontation mit der dunklen Magierin zu suchen.
Zur gleichen Zeit widmet sich Jessis Vater, der als Schriftsteller seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Fantasy-Romanen verdient, erneut seinem neuesten Manuskript. In seinem in Arbeit befindlichen Werk, dass dem Verlag und seiner Lektorin zufolge eigentlich längst hätte fertig sein sollen, erlebt ein Niko in der Fantasy-Welt Mysteria phantastische Abenteuer – kommt uns das nicht irgendwo her bekannt vor?
Selbst seine neuesten Kreationen, Atemschlürfer, die auch bei Tag den Wald unsicher machen, mit Schwanenflügeln versehene Rosse, die majestätisch durch die Lüfte streifen oder dreiköpfige Drachen, die dem Zerberus gleich über die Unterwelt wachen, finden unsere Helden auf Mysteria dann gar nicht mehr lustig. Es stellt sich die Frage, wer denn nun Herr des Geschehens ist – die Helden, die in waghalsigen Abenteuern und unter großem Einsatz für das Gute streiten, oder der Mann vor seiner Tastatur …

Peter Freund hat mit seinen »Laura«-Romanen die Herzen vieler Fantasy-Freunde höherschlagen lassen.Nach dem Wechsel von Ehrenwirth zu cbj begann er eine neue Trilogie, in der er sich zunächst treu blieb.
Erneut stehen zwei Welten als Bühne für seine jugendlichen Protagonisten zur Verfügung. Eine archaische Welt, in der es gilt, sich gegen Magier, Tyrannen und phantastischen Wesen durchzusetzen und unsere gewohnte Alltagswelt, aus der unseren Helden vornehmlich stammen. Beide Welten sind miteinander verbunden, beeinflussen sich gegenseitig und dienen als gleichberechtigter Handlungsort.
Was die Ausgestaltung Mysterias anbelangt, bedient der Autor sich weidlich in der griechischen Mythologie. Zerberus stand hier ebenso Pate wie die Gorgonen, Pegasus oder Orpheus, dazu gesellen sich Rebellen, die ihre Nähe zu Robin Hood schwerlich verleugnen können, finstere Hexen und brutale Eroberer. Selbst einen waschechten, etwas tollpatschigen Zauberlehrling hat der Autor einbauen können.

Nun könnte man meinen, dass auf den geneigten Leser ein müder Abklatsch gewohnter Themata warten würde. Dem ist, glücklicherweise bin ich geneigt zu sagen, aber nicht so. Neben all den bekannten und weidlich erprobten Versatzstücken reichert Freund seine Handlung nämlich durchaus mit genügend Eigenleben und Ideen an, um das Ergebnis funktionieren zu lassen.
Die Krankheit einer unserer Helden, die vorsichtigen, ja zaghaften ersten sexuellen Versuche unseres Paars, dazu mit den Atemschlürfern eine Abart der Vampire, die nicht nur neu, sondern auch faszinierend schaurig daherkommt und nicht zuletzt, die Verbindung Mysterias mit dem Roman von Jessis Vater bieten genügen Eigenständigkeit.

Insgesamt also gute Einstiegslektüre für jugendliche Fantasy-Neulinge, die einmal abseits des Hogwarts-Elfen und des Herrn der Ringe ins Genre hineinschnuppern möchten.