Paul Alfred Müller: Die Erde brennt (Buch)

Paul Alfred Müller
Die Erde brennt
Titelillustration von Max Ludwig
Verlag Dieter von Reeken, 2012, Paperback, 230 Seiten, 17,50 EUR, ISBN 978-3-940679-65-9

Von Carsten Kuhr

Es ist die Zeit des Kalten Krieges. Zwei Machtblöcke stehen sich feindlich und unversöhnlich gegenüber. Hier der kapitalistische Westen, der Erfolge mit Wohlstand und Reichtum belohnt, dort der Unterdrückungsstaat, der angesichts wirtschaftlicher Not seine Wissenschaftler mittels Druck, Denunziantentum und Verrat zu geistigen Höhenflügen animiert. Beide Seiten bedienen sich hierbei der Forscher eines besetzten Landes.

Pikanterweise arbeiten auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs Mitglieder derselben Familie an der Erforschung der Kernspaltung. Auch wenn sie vom jeweils anderen nichts ahnen, ja zunächst nicht einmal wissen, dass der Vater beziehngsweise die Tochter überhaupt noch unter den Lebenden weilt, haben sie ihre Arbeit vorangetrieben, stehen beide, unabhängig voneinander, davor, eine Anlage mit deren Hilfe Protonen erzeugt werden sollen, in Betrieb zu nehmen.

Während der Forscher im reichen Perlagonien vor den Auswirkungen eines unkontrollierten Atombrandes warnt und zur Vorsicht rät, hat sein Vater, der von den Dahliern massiv unter Druck gesetzt wird, kaum eine Chance die Vorgaben der linientreuen Kommissköpfe zu hinterfragen oder abzulehnen. Bevor er sich aber den Vorgaben des Unrechtssystems beugt will er lieber das Reich, das ihm und seiner Enkelin die Freiheit genommen hat, mit in den Abgrund reißen – der Weltenbrand nimmt seinen Anfang…

Mit vorliegendem Roman setzt der Verlag Dieter von Reeken die Neuausgabe der Einzelwerke Paul Alfred Müllers fort. Wer annimmt, dass PAM, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, nur rasante utopisch-phantastische Abenteuer à la „Sun Koh“ und „Jan Mayen“ verfasst hat, der sieht sich vorliegend überrascht und eines eines Besseren belehrt.

In zunächst eindringlichen Worten warnt der Autor vor den Gefahren des ungezügelten Wettrüstens, ja schildert er uns die Mensch gemachte Katastrophe hautnah. Hierbei nimmt er deutliche Anleihen bei der tatsächlichen politische Situation zum Zeitpunkt der Entstehung des Romans. Unschwer erkennt man in den beiden Reichen die USA und die Sowjetunion wieder, die einfallsreichen Forscher stammen natürlich aus Deutschland, ohne dass hierbei näher auf die braune Vergangenheit eingegangen wird. So sehr die intensiven Warnungen Müllers den Leser in ihren Bann ziehen, so unbefriedigend letztlich lesen sich die zwischenmenschlichen Beschreibungen. Die Familientragödie der Forscher-Familie der Davertshoven wirkt in ihrer Unausweichlichkeit eher abschreckend als dass sie dazu führt, dass der Leser mit den Gestalten warm wird oder mit ihnen leidet. Dazu tragen auch gestelzt wirkende Dialoge und eine gerade für Müller letztlich ungewohnte Handlungsarmut über weite Strecken des Buches bei.

Als früher Post-Doomsday-Roman reicht der Roman nicht ganz an die damaligen Konkurrenten (Helmut Lange, Ernst von Khuon) heran, und Leser von „Sun Koh“ und „Jan Mayen“ werden eine packende Handlung vermissen, auch wenn „Die Erde brennt“ ein Stück Zeitgeschichte darstellt.