Rosemary Wells: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie (Buch)

Rosemary Wells
Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
(On the blue Comet)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ingrid Weixelbaumer
Titelbild und Innenillustrationen von Max Meinzold
dtv, 2012, Hardcover, 367 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-423-76055-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Elf Jahre ist Oscar alt, als sein Leben aus den Fugen gerät. Es war ja schon schlimm, als seine Mutter an ihrer Arbeitsstelle, einer Fabrik für Feuerwerkskörper, bei einem Unfall ums Leben kam. Doch damals hatte er immer noch seinen Vater. Oscar übernahm das Einkaufen und Kochen, sein Dad verkaufte für John Deere Traktoren und abends widmeten sie sich zusammen ihrem gemeinsamen Hobby, der Modelleisenbahn. All sein Geld hatte Vater Ogilvie in die Modelle gesteckt.

Als die Rezession, die in den 30er Jahren Existenzen vernichtete, auch sein Leben umkrempelte, musst er eine schwierige Entscheidung treffen. John Deere kündigte ihm, er war gezwungen das Haus und die Modellbahn an einen reichen Bankbesitzer zu verkaufen und seinen Jungen bei seiner Schwester unterzubringen. Er selbst brach in Richtung Kalifornien auf, um dort nach Arbeit zu suchen.

Für Oscar begann damit eine Zeit des Leidens. Seine Tante herrschte mit strenger Hand über die bei ihr untergebrachten Kinder, in der Schule tat er sich insbesondere in Mathe schwer. Nur einen Freund hat er in dieser Zeit: einen ehemaligen Mathematik-Professor, der seinen Lehrstuhl in Texas verloren hatte und als Nachtwächter in der Bank beschäftigt war, in der Oscars Modelleisenbahn ausgestellt war. Immer wieder schlich Oscar sich nach Schalterschluss zu seinem Freund und gemeinsam ließen sie die Züge fahren.

Als eines Nachts Bankräuber die Filiale überfallen und ausrauben, wird Oscars Freund ermordet, er selbst springt in seiner Panik in die Modelleisenbahn – und findet sich plötzlich 10 Jahre in der Zukunft wieder. An Bord eines der Luxuszüge, die er bislang nur von den Modellen her kennt reist er gen Westen. Unterwegs macht er die Bekanntschaft eines späteren Hollywood-Stars, trifft seinen Vater und Hollywood-Größen, und will doch nur eines: wieder zurück in den Körper eines 10jährigen Jungen…

Rosemary Wells nutzt ihre ganz eigene Zeitreisegeschichte, um uns nicht nur von zwei Krisenzeiten zu berichten, sondern auch mit der Faszination, die Modelleisenbahnen bei alt und jung wecken, zu punkten.

Wer kennt das nicht, wenn Kinderaugen und die der Papas angesichts großer, weitverzweigter Schienenstränge und chromglänzenden Loks nebst der originalgetreuen Waggons glänzen. Voller Faszination werden da die Züge über die maßstabsgetreu nachgebauten Landstriche geschickt, rattern die Räder über Weichen und wird der Mann zum spielenden Kind. Das ist etwas, das ein jeder Leser aus eigener Erfahrung, wie beschränkt oder ausufernd diese auch sein mag, nachvollziehen kann. Mühelos schlüpft man in die Figur Oscars, bewundert den Knirps, wenn er allen Schicksalsschlägen zum Trotz mutig seinen Weg geht. In diese eigentlich schon faszinierende Kulisse hat die Autorin dann zwei Schreckensszenarien einfließen lassen. Die Weltwirtschafts-Krise, die in den 30er Jahren die ganze Welt erschütterte, wird angesichts den Schicksals von Oscars Vater drastisch und deutlich mit all ihrer Not und dem Leid, das dadurch auf die Menschen niederging, gezeigt.

Über das Vehikel der Zeitreise kommt unser Erzähler dann noch mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs direkt in Kontakt. Zwangsrekrutierung aller jungen, kampffähigen Männer, der Angriff auf Pearl Harbor; auch hier zeichnet die Autorin geschickt, weil glaubwürdig und unauffällig in die spannende Handlung eingebettet. ein Bild der Vergangenheit, das dem Leser viel Fakten aber auch das damalige Lebensgefühl vermittelt. Das ist gelebte Geschichte verpackt in einer phantasievolle, packende Handlung, die groß wie klein an die Seiten fesselt.