Bryan Smith: Seelenfresser (Buch)

Bryan Smith
Seelenfresser
(Soultaker)
Aus dem amerikanischen Englisch von Manfred Sanders
Festa, 2012, Taschenbuch, 344 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-141-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Rockville ein kleines, verschlafenes Nest in Tennessee. Nie wieder wollte Jake hierher zurückkehren, in das Städtchen, in dem er aufgewachsen ist. Zu bedrückend die Erinnerungen, die ihn mit dem, was man gemeinhin mit dem Begriff Heimat nennt, verbindet.

Ein verarmtes, verelendetes Elternhaus, die Mutter eine sexgeile Schlampe, der Vater und sein Nachfolger versoffene Rohlinge, die es liebten die Kinder zu schlagen und zu missbrauchen. Als seine große Liebe zusammen mit seinem jüngeren Bruder in einem Autowrack stirbt, floh er aus Rockville. Nun ist er zurück. Nicht etwa, weil ihn seine Mutter bedrängt hat, sondern weil er seinen jüngsten Bruder nach wie vor liebt. Trey war die große Ausnahme der Familie. Gute Noten in der High School, eine nette Freundin, er schien die Chance zu haben, aus dem ewigen Teufelskreis aus Gewalt, Armut und Alkohol auszubrechen. Doch dann schlägt Treys Herz für eine neue Freundin; und Myra ist ebenso hübsch wie zügellos – und sie übt einen verheerenden Einfluss nicht nur auf Trey aus, sondern auch auf die Frauen der Stadt aus.

Kaum angekommen sieht sich Jake in einem Strudel aus Gewalt, sexueller Ausschweifungen und Perversionen konfrontiert, der sich wie der Albtraum eines verwirrten Perverslings entwickelt. Menschen werden gehäutet, aufgeschlitzt und geköpft, ihre Innereien verspeist, ihre Körper missbraucht. Es ist die Zeit der Lamina, einer Dämonin, die die Frauen aus ihrer Rolle als geknechtete Liebesdienerinnen ihrer Männer befreit und ihnen das bietet, was sie eigentlich nicht oder doch wollen – Rache. Die Seelenernte steht bevor, denn die Lamina hat Hunger; nicht nach Körpersäften oder Gefühlen, sondern nach Seelen…

Nach „Verkommen“ legt Frank Festa den zweiten von drei angekündigten Romanen seines neuen Star-Autors vor. Im Untertitel plakatiert er „Amerikas Slasher-König“ – und so übertrieben sich dies auf den ersten Blick anhören mag, es trifft den Kern der Sache.

Wie bereits in „Verkommen“ zeichnet der Autor das überzeugende Bild einer Kleinstadt im Corn Belt Amerikas. Hier, wo die Werte noch hochgehalten werden, wo man hilfsbereit und höflich zu seinen Nächsten ist, liegen unter den dünnen Tünche des äußeren Wohlverhaltens Abgründe verborgen. Wie in jeder Kleinstadt gibt es hier Geheimnisse, Lug, Betrug und sexuelle Perversionen, denen sich gerade die Honoratioren so gerne hingeben. Und Smith wäre nicht der großartige Autor der er ist, wenn er dies nicht als Aufhänger für seine Romane nutzen würde. Gerade die Verlogenheit, die Fassade, die um jeden Preis aufrecht gehalten wird, bietet ihm die Gelegenheit, seine phantastisch-blutige Handlung einzubauen. Das sprengt oft die Grenzen des guten Geschmacks, wenn die Opfer gezwungen werden, die Innereien und Hirnmasse der Ermordeten zu essen, wenn sie vergewaltigt und missbraucht werden. Dennoch übt gerade dies einen bezwingenden Reiz auf den Leser aus. Das Spiel mit dem Tabu, das Austesten von Grenzen ist Smiths Sache.

Dabei bleibt er in der Charakterzeichnung eher oberflächlich, zieht sich auf bekannte Stereotypen zurück, die er aber gekonnt variiert und auch ab und an veräppelt. Seinen Blick richtet er vornehmlich auf die Loser im tagtäglichen Kampf um Macht und Reichtum. Seine Gestalten kommen aus der weißen Unterschicht, leben von der Wohlfahrt, finden ihre Erfüllung im Konsum von Drogen – statt dem teuren Koks eher Alkohol – und sexueller oder gewalttätiger Ausschweifungen. Das vermittelt gekonnt und nicht aufgesetzt die Realität der Hoffnungslosigkeit, der Hilflosigkeit und des damit verbundenen Verfalls der Sitten, liest sich aber voyeuristisch packend und rasant auf einen Rutsch durch.

Nichts für schwache Nerven, für Hardcore-Horror-Fans aber ein Erlebnis!