Gerd Frank (Hrsg.): Norbert Sévestre: Sâr Dubnotal – Der große Geisterbanner )Buch)

Gerd Frank (Hrsg.)
Norbert Sévestre
Sâr Dubnotal – Der große Geisterbanner
Aus dem Französischen übersetzt von Gerd Frank
Verlag Dieter von Reeken, Paperback, 316 Seiten, 22,50 EUR, ISBN 978-3-940679-57-4

Von Carsten Kuhr

Einmal mehr macht sich Dieter von Reeken um zu unrecht vergessene Phantastische Trivialliteratur verdient. Zusammen mit dem Literaturwissenschaftler, Autor und Übersetzer Gerd Frank legt er eine Auswahl der Heftserie „Sâr Dubnotal – Der große Geisterbanner vor“, die Alwin Eichler im Jahr 1909 zeitgleich in Frankreich und Deutschland herausbrachte.

Von den jeweils 32 Seiten im Großformat umfassenden Heften erschienen in Frankreich 20 Ausgaben, die deutsche Edition umfasste lediglich vermutlich 10 Ausgaben. Daneben erschien auch noch eine spanische Edition. Den Texten beigegeben wurde nicht nur ein informatives Nachwort, sondern auch die größtenteils farbige Abbildung der farbenprächtigen Titelbilder der französischen Ausgabe. Der Verfasser wurde in den Heften nicht angegeben, man vermutet aber den oben genannten Norbert Sévestre als Autor der Reihe.

Nachdem es Jahrzehntelang um einen der ersten übernatürlichen Ermittler der Literaturgeschichte ruhig war, hat sich in den letzten Jahren das Interesse an der Reihe, die ihrer Zeit inhaltlich weit voraus war, verstärkt. Dies ist auch einer von Brian Stableford initiierten Übersetzung der auch in vorliegendem Band enthaltenen Hefte ins Englische sowie dem unermüdlichen Bemühungen Franks zu verdanken. Dieser hat, da die deutschen Ausgaben am Markt schlicht nicht vorhanden sind – wohl kaum eine andere Heftreihe fiel den Verfolgungswahn der „Schundjäger“ so umfangreich zum Opfer – seine Vorlagen als Kopien von der Französischen Nationalbibliothek bezogen, und die Hefte dann aus dem Französischen ins Deutsche übertragen.

Den Ausführungen des Herausgebers folgend hat er in vorliegendem Band die inhaltlich zusammenhängenden Romane um die Auseinandersetzung des Protagonisten mit dem teuflischen Verbrecherkönig Tserpchikoff zusammengefasst, die als Hefte Nr. 1, 7, 9, 10 und 11 erschienen. Unklar blieb mir, warum man dem Band nicht den ebenfalls dem Tserpchikoff-Zyklus zugehörigen Roman (vgl. entsprechende Anmerkung des Übersetzers und Herausgebers auf Seite 157) des achten Bandes, „Eine Astralspur“, in denen die beiden Widersacher vor der malerischen Kulisse des orientalischen Tunis aufeinandertreffen, beigefügt hat.

Um was geht es in den Romanen? Wir lernen den Psychagogen Severus el Tebib oder, wie er eigentlich heißt: Sâr Dubnotal, in der Bretagne kennen. In dem kleinen Küstendorf Trenz-Hir hat er sich ein Anwesen geschaffen, in dem er seine Schüler in den Geheimnissen des Orients und Occidents unterrichtet. Und hier macht er sich auch an die erste Aufklärung eines perfiden Verbrechens. Die nahegelegene Burg wird heimgesucht. Seitdem der verwitwete Burgherr, nachdem er eine aus ärmlichen Verhältnissen stammende Frau geehelicht und mit dieser zwei Töchter gezeugt hat, während des Schlafes vermeintlich einem Hirnschlag erlag, wird die verwaiste Burg von unheimlichen Erscheinungen heimgesucht. Unser Ermittler macht sich zusammen mit seinen Helfern – unter anderen einem Medium – daran, die Geschehnisse aufzuklären. Mit Hilfe von Geisterbeschwörung kommt er dem perfiden Mord an dem adeligen Burgherrn auf die Spur. Die Suche nach dem eigentlichen Täter bringt ihn zum ersten Mal auf die Spur eines russischen Prinzen, der sich später als Jack the Ripper entpuppen soll. In den Folgebänden entwickelt sich der Konflikt zwischen den beiden Hypnotiseuren zu einem spannenden Wettlauf und intelligentem Geduldsspiel. Scheintote, Gevierteilte, eine aus dem Leichenschauhaus geraubte Leiche, entgleiste Züge später erweist sich Tserpchikoff als König der Schachbande. Die Jagd führt unsere Helden nach London, wo in Whitechapel Jack the Ripper Angst und Schrecken verbreitet…

Das Gebotene liest sich auch heute noch, gut einhundert Jahre nach der Erstveröffentlichung, spannend, ja faszinierend auf einen Rutsch durch. Dabei bieten die Texte auch ein interessantes Zeitpanorama einer vergangenen Epoche, mit ihren für uns heutige Leser antiquiert wirkenden Verhaltensweisen, der Standesdünkel und Obrigkeitshörigkeit.

Die Übersetzungen von Gerd Frank lesen sich stimmig, lediglich an zwei Stellen fiel mir auf, dass er in einen modernen Jargon verfiel, ansonsten bemüht er sich gekonnt und erfolgreich, den Ton der Sprache der damaligen Zeit zu treffen, ohne dadurch das Tempo oder die Spannung aus den Romanen herauszunehmen. Atmosphärisch bleibt er dabei dicht am Original, das uns einen intellektuellen Detektiv offeriert, der neben seinen detektivischen Fähigkeiten auch durch sein mystisches Wissen zu punkten weiß.

Wie wir dies von alt-ehrwürdigen Serien gewohnt sind, sind die Charaktere klar zugeordnet: hier der charismatische, überlegene Held, der von seinen ihn anhimmelnden Untergebenen unterstützt wird, die es ihm erst ermöglichen auf der Bühne des Lebens mit seinem Wissen zu glänzen, dort der Schurke, ein Bösewicht, wie er im Buche steht. Moderne Charakterentwicklung, das Hinterfüttern des Antagonisten mit einer glaubwürdigen Motivation bleibt – wie aus anderen Serien gewohnt – außen vor.

Es bleibt zu hoffen, dass in einem zweiten Band die restlichen Romane, bei denen es sich dem Vernehmen nach hauptsächlich um Einzelabenteuer handelt, dem Leser zugänglich gemacht werden.