DC Premium 77: Superman: Secret Origin (Comic)

Geoff Johns
DC Premium 77
Superman: Secret Origin
(Superman: Secret Origin 1 – 6, 2009/2010)
Aus dem Amerikanischen von Christian Heiß
Titelillustration und Zeichnungen von Gary Frank, Jon Sibal, Brad Anderson
Panini, 2012, Paperback, 220 Seiten, 19,95 EUR

Von Irene Salzmann

Die Entstehungsgeschichte von Superman, dem liebsten (DC-) Helden der Amerikaner, wurde in den Jahrzehnten, die die Comic-Serie bereits läuft, mehrmals erzählt, ausgeschmückt, sogar modifiziert, wobei die Autoren zwar den Kern bewahrten, sich aber der Erzähltechnik und Mode ihrer Zeit bedienten, sodass praktisch jede Generation ‚ihre‘ „Secret Origin“-Story hat und sich jede dieser Geschichten bemüht, die vorherige zu übertreffen.

Tatsächlich sind die Comics seit dem Golden Age einen weiten Weg gegangen und haben sich deutlich weiterentwickelt, was das Setting, den Handlungsaufbau, das Charakterdesign, die Zeichnungen und die Kolorierung betrifft.

„Superman: Secret Origin“ will den Werdegang des Titelhelden modern und nachvollziehbar ein weiteres Mal schildern. Braucht der Leser das wirklich? Halten Autor und Zeichner das Versprechen, dass sie die Entstehung so lebendig und frisch aufbereiten, dass man nicht das Gefühl hat, den x-ten Aufguss einer ollen Kamelle in den Händen zu halten?

Die Story beginnt nicht mit der traurigen Unterhaltung von Jonathan und Martha Kent, die sich sehnlichst ein Kind wünschen und die Rakete von Krypton mit dem Superbaby entdecken, das sie als ihren Sohn Clark aufziehen und der schon in diesen frühen Jahren seine besonderen Kräfte entfaltet – nein, dieser Prolog wird dem Leser erspart. Stattdessen setzt die Handlung mittendrin ein, als Clark in der Pubertät seine Kräfte entdeckt und schockiert darüber ist, wie leicht er ohne Absicht jemanden verletzten oder etwas zerstören kann. Seine Eltern machen ihm immer wieder Mut und unterstützen ihn dabei, seine Talente kontrollieren zu lernen. Und sie finden, dass die Zeit reif ist, Clark die Wahrheit über seine Herkunft zu verraten.

Es fällt dem Jungen schwer zu akzeptieren, dass er von einer fernen Welt stammt, die untergegangen ist, und die Menschen, die er für seine Eltern hielt, ihn ‚nur‘ als Sohn angenommen haben. Auch mit seinen Kräften hadert er, da er viel lieber ein ganz normaler Junge – ein Mensch – wäre, der unbeschwert mit seinen Freunden spielen und mit Lana Lang flirten darf, statt immer aufpassen zu müssen, dass er kein Unheil auslöst. Clarks Einstellung ändert sich erst, als er erkennt, dass er mit seinen Fähigkeiten Gutes tun kann und es andere gibt, die wie er sind, sogar von ihm inspiriert wurden: die Legion aus der Zukunft, eine Gruppe Teenager, die die Erde beschützen und allen Lebewesen helfen will.

Als Smallville ihm zu klein wird, begibt sich Clark nach Metropolis und findet Anstellung als Reporter beim „Daily Planet“, wo er seine engagierte Kollegin Lois Lane und den jungen Fotografen Jim Olson kennenlernt. Die Zeitung führt einen einsamen Krieg gegen Lex Luthor, dem fast die ganze Stadt gehört und der seinen Einfluss durch dunkle Machenschaften immer weiter ausdehnt. Luthor wird auf Superman aufmerksam, nachdem dieser Lois vor einem tödlichen Sturz rettete, und fühlt sich sogleich von ihm bedroht. Zusammen mit dem Militär versucht Luthor, das Alien unschädlich zu machen, wobei sich der Brocken Kryptonit, den er vor Jahren fand, als wirksame Waffe erweist…

Zweifellos wurde diese „Origin“-Reihe auch durch TV-Serien wie „Smallville“ und „Lois & Clark“ beeinflusst. Das Beziehungsnetz von Superman, seinen Freunden und Feinden wird enger gezogen. Beispielsweise kennen sich Clark und Luthor flüchtig aus Smallville, und Letzterer ist verantwortlich für die Entstehung von einigen üblen Gegenspielern, auf die der Held regelmäßig trifft. Ganz zufällig entdeckt er das Kryptonit, Supermans Achillesferse. Hinzu kommen einige Anspielungen, denen aber nicht nachgegangen wird, die sogar schon aus der Serie hinausgeschrieben wurden („Elseworld-Stories“), wie zum Beispiel der Hund Krypto.

Die Protagonisten präsentieren sich nicht mehr eindimensional wie früher, sondern sind Menschen mit ambivalenten Gefühlen, Stärken und Schwächen. So ist Superboy beziehungsweise Superman nicht der selbstbewusste Retter des Universums (okay, den Titel beansprucht ja auch schon ein gewisser Gucky …), vielmehr ist er eine Person, die das gleiche Leben führen möchte wie die Menschen um ihn herum, der einer der ihren sein möchte, der an sich zweifelt, weil er sich für eine Gefahr hält, und der sogar dem Mädchen, in das er verliebt ist, einen Korb gibt, weil er befürchtet, ihr weh zu tun. Als erwachsener Mann hat Clark seine Kräfte unter Kontrolle und mimt den trotteligen Reporter, um sein wahres Wesen zu verbergen, doch treibt man ihn in die Enge, verspürt er Zorn, er sorgt sich um Menschenleben und will keine Belohnung für seine Hilfe. Nach wie vor sehnt er sich danach, einfach nur akzeptiert werden.

Sein absolutes Gegenstück ist Lex Luthor, der sich schon als Jugendlicher als hochintelligent erweist, dafür aber ein ebenso ausgeprägtes Defizit im sozialen Bereich hat, denn früh gibt er sich arrogant, ist machtgierig und skrupellos genug, um über Leichen zu gehen, wenn es seinen Plänen dient. Diese Eigenschaften bringen ihn an die Spitze von Metropolis, wo er gefährliche Forschungen betreibt, das Elend der einfachen Menschen für seine Zwecke nutzt und Gegner radikal beseitigt.

Der „Daily Planet“ ist am Ende, als Clark seine Arbeit aufnimmt, doch in der Redaktion gibt es immer noch Menschen, die kämpfen und die durch Supermans Auftauchen Hoffnung schöpfen und ihm im Gegenzug Sympathie entgegenbringen, meinungsbildend auf die Bevölkerung einwirken, die das Alien zunächst fürchtet, es dann jedoch dem Ausbeuter Luthor und seinen falschen Versprechen vorziehen. Schön ist die Szene mit der alten Dame, die Clark an seinem ersten Tag in Metropolis anrempelt, woraufhin sie sehr ungehalten reagiert. Am Ende des Bandes passiert ihr dasselbe erneut, doch spricht sie nun freundlich mit dem jungen Mann. Supermans positive Ausstrahlung inspiriert auch die Menschen der Gegenwart.

Natürlich wird der Grundstein für die romantische Beziehung von Lois und Clark gelegt, die sich in Superman verliebt und ahnt, dass ihr Kollege etwas verbirgt, sowie für die Freundschaft zwischen Clark und Jimmy, der hier ein Teenager ist und nicht der junge Mann, der vor Jahrzehnten an Supermans Seite aufregende Abenteuer erlebte. Hinzu kommt die Entstehungsgeschichte von zwei Feinden, dem Parasit und Metallo. Wie Luthor sind sie unverbesserliche Psychopathen, die sich nicht auf die Seite ‚der Guten‘ ziehen lassen.

Das alles wird in ansprechenden Illustrationen überzeugend dargestellt. Gary Frank und sein Team verleihen den Charakteren eine ausgeprägte Mimik, die der Situation angepasst ist und einen Teil der Dialoge und den Erzähler überflüssig macht. Allein Saturn Girl sieht in etlichen Panels viel zu alt aus für einen Teenager, und ihr ursprüngliches Kostüm ist sehr altmodisch.

Abschließend kann man nur sagen: Diese Story zu lesen, hat wirklich Spaß gemacht. Sie ist zeitgenössisch erzählt, die Protagonisten wirken realistisch, die Handlung ist frisch und spannend inszeniert. Ja, die Künstler haben ihr Versprechen gehalten: „Superman: Secret Origins“ ist eine großartige Mini-Serie, die auch jenen gefallen wird, denen der Titelheld für gewöhnlich ‚zu super‘ ist.