Nancy Werlin: Der Fluch von Scarborough Fair (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 19. November 2011 14:47

Nancy Werlin
Der Fluch von Scarborough Fair
(Impossible, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Burkhardt
Titelgestaltung von init.büro für gestaltung unter Verwendung einer Vorlage von Natalie Sousa und eines Fotos von Corbis
cbt, 2011, Taschenbuch, 382 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-570-30717-5 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Die 17-jährige Lucinda Scarborough wuchs bei Zieheltern, Leo und Soledad, auf, denn ihre Mutter verlor den Verstand, und der Vater ist unbekannt. Auf einem Schulball wird sie von ihrem Begleiter vergewaltigt. Anschließend verunglückt der Junge mit seinem Wagen tödlich. Kurz darauf findet Lucy heraus, dass sie schwanger ist.
Das Tagebuch ihrer leiblichen Mutter Miranda verrät, dass es schon vielen Generationen von Scarborough-Mädchen so erging: Sie lassen sich mit einem jungen Mann ein, der gleich darauf verschwindet, schenken mit 18 Jahren einer Tochter das Leben und werden verrückt. Das Lied über den Elfenritter, das jede Mutter ihrer Tochter beibringt, erzählt von einem Fluch, den Fenella, ihre Ahnin, auf sie alle lud, weil sie ihren nicht-menschlichen Verehrer abwies. Drei schwere Aufgaben sind zu erfüllen, um den Fluch abzuwenden, aber noch nie schaffte ein Mädchen auch nur eine davon.
Lucy vertraut sich erst ihrem Spielkameraden Zach, dann ihren Zieheltern an. Für alle ist es nicht leicht, diese Geschichte zu glauben – aber sie kennen Miranda und wollen Lucy beschützen. Keiner ahnt, dass sich der Feind bereits unter sie gemischt hat und Lucy zu seiner ‚wahren Liebe‘ machen will.
„Scarborough Fair“ ist ein englisches Traditional, das sicherlich vielen in der Version von Paul Simon und Art Garfunkel bekannt ist. Der Autorin lieferte das Lied den Aufhänger für eine märchenhafte Fantasy-Story, in der ein Elfenritter von einer Menschenfrau verschmäht wurde und daraufhin sie und ihre Nachkommen mit einem bösen Fluch belegte. Drei Aufgaben sind zu lösen, um den Bann zu brechen, doch sind sie so rätselhaft, dass es noch keiner glückte.
Anders als ihre Ahninnen hat Lucy jedoch eine Familie und Freunde, die zu ihr halten. Zach bittet sie sogar, seine Frau zu werden, denn er liebt sie und auch das ungeborene Kind. Daraus schöpft Lucy ihre Stärke und wagt es, dem Elfenritter entgegenzutreten – mit Cleverness, Improvisationstalent und einem Wissen, das den früheren Generationen nicht zur Verfügung stand.
Die Protagonistin, die zunächst eine für Teenager typische Protesthaltung einnimmt, wird sehr schnell erwachsen – und wächst über sich hinaus, um ihre Tochter zu beschützen, wie sie selbst von Miranda beschützt wurde. Das wird sehr beeindruckend beschrieben, während dem Trauma, das auf eine Vergewaltigung zwangsläufig folgt, nicht viel Raum gewidmet wird. Lucy steckt das furchtbare Erlebnis erstaunlich schnell weg und hat keinerlei Probleme, sich auf Zach einzulassen. Das wirkt realitätsfern, ist aber notwendig, um die Handlung in die gewünschte Richtung zu lenken. Die Macht der Liebe und das gegenseitige Vertrauen sind der tatsächliche Schlüssel für die Erlösung. Natürlich weiß dies auch der Elfenritter, der sich zwar an die Spielregeln halten muss, aber mit unlauteren Tricks Lucy zu verwirren trachtet.
Das Buch ist nett und flüssig erzählt, aber kein Pageturner. Interessant ist, dass zwei junge Menschen heiraten und Sex haben dürfen, sogar ein Kind geboren wird … Für ein amerikanisches Jugendbuch beachtlich, selbst wenn es keine explizite Szenen gibt, sind das doch eher Tabu-Themen.
In Konsequenz ist „Der Fluch von Scarborough Fair“ ein durchschnittlicher phantastischer Jugendroman, der zu unterhalten, aber nicht wirklich zu überraschen weiß, denn die Figuren sind fast zu schön, um wahr zu sein, und die Handlung orientiert sich am Verlauf gängiger Märchen. Allerdings bekommt man große Lust, wieder einmal die Simon & Garfunkel-LP (beziehungsweise CD) mit dem schönen Titel gebenden Lied aufzulegen…