Schmetterlingsnetzwerk 2: Herr Mond (Comic)

Schmetterlingsnetzwerk 2
Herr Mond
(Le Réseau Bombyce: Monsieur Lune)
Text: Éric Corbeyran & Cécil
Artwork: Cécil (Christophe Coronas)
Übersetzung: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2011, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-287-7

Von Frank Drehmel

Eustache und Mücke sind dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, haben allerdings einige Blessuren davongetragen, konnten aber immerhin Zibeline aus den Händen der perversen Frauenmörder befreien.

Wohlwissend, dass sie zu Gejagten geworden sind, wollen sie vorerst dennoch auf Eustaches Drängen hin die Stadt nicht verlassen, weil dieser nach wie vor vom Schatz Gustavs, der sich in Bourdeaux befinden soll, geradezu obsessiv besessen ist. Jedoch sind Spannungen zwischen den drei Freunden unverkennbar. Während Zibeline Eustache klar macht, dass ihre Beziehung auf einer freundschaftlichen Basis fortgeführt werden sollte, leidet insbesondere Mücke unter der Last der Erinnerungen an eine bessere Zeit, als er noch als Artist seine Brötchen verdienen konnte.

Nach einem Besuch in einer schäbigen Kaschemme fällt der kleine Mann einem ehemaligen Verbindungsmann Gustavs in die Klauen, der augenscheinlich die Vergangenheit begraben wissen will und alsdann beginnt, Mücke zu foltern, nicht nur, um ihm etwaiges Wissen zu entreißen, sondern aus purer sadistischer Freude.

Unterdessen gerät Zibeline, die Eustache nach einem heftigen Streit verlassen hat, in die Fänge der korrupten Polizei-Schergen, welche im Auftrage des psychopathischen Barons die Stadt nach dem Schmetterlingsnetzwerk sowie dessen Mitgliedern durchforsten, und wird ebenfalls üblen Torturen ausgesetzt, wobei sie nicht so viel Glück wie Mücke hat, denn dem kleinen Ex-Akrobaten gelingt immerhin die Flucht aus seinem Foltergefängnis.

Kaum zurück im Unterschlupf schafft es Mücke, Eustache, der von den Vorfällen nur wenig mitbekommen zu haben scheint, davon zu überzeugen, dass sie die Stadt unverzüglich verlassen müssen, da sie ansonsten so gut wie tot sind. Und tatsächlich gelingt den beiden Männern im letzten Augenblick die Flucht, während Zibelines Zeit abläuft.

Zeichnete sich im ersten Album im Snuff-Film-Plot sowie den brutalen Showdowns die dunkle Richtung der Story schon deutlich ab, so gerät dieser zweite Band zu einem Bravourstück an Düsternis. Nicht nur, dass ein Happy End in weite Ferne gerückt, wenn nicht sogar unmöglich geworden ist, nicht nur dass die Autoren ihre Welt als Kaleidoskop aus Psychopathien, Korruption und Drogenkonsum entworfen haben, in der das normale Verbrechen ein geradezu freundliches Gesicht hat, sondern sie lassen ihre Figuren auch in und an dieser verdorbenen Welt sowohl psychisch, als auch physisch massiv leiden, wobei sich ein großer Teil dieses Leidens und der Gewalt lediglich im Kopf des Lesers abspielt und keiner expliziten Bilder bedarf: eine hilflos an einen Stuhl gefesselte Person, ein Close up von einem Auge, davor ein Skalpell, eine an Stricken hängende Person, ein auf sie gerichteter Revolver, ein Schuss! Bilder von eindringlicher Wucht, ohne dass das Zerstückeln oder der Akt des Eindringens der Kugel in den Körper bis ins Letzte szenisch ausgeführt werden muss. Doch nicht nur die Tristesse, der Schmerz, die Obsessionen halten den voyeuristischen Leser bei der Stange, die Story weist mit der Suche nach Gustavs Schatz und dem Rachefeldzug des Barons nach wie vor zwei spannungsgeladene Handlungsbögen auf und ist zudem von beeindruckend starken, markanten Charakteren getragen.

In einem verstörenden Widerspruch zu der dunklen Handlung scheint das geradezu leichte, feinstrichige Artwork mit seiner unterm Strich warmen, leicht rotlastigen, kreidigen Koloration zu stehen, das insbesondere in den Außen- und Gebäudeansichten einen hohen Detailreichtum aufweist, aber auch ansonsten vor Authentizität und liebevoll dargestellten Details strotzt. Doch bemerkenswerterweise tut die visuelle Leichtigkeit der inhaltlichen Düsternis keinen Abbruch, sondern sorgt – im Gegenteil – für zusätzlich emotionale Spannung.

Fazit: Eine düstere, spannungsreiche Story, getragen von regelrechten Typen, mit einem visuell intensiven und liebevoll detaillierten Artwork, das zum Besten gehört, was das modere europäische Comic zu bieten hat.