Michelle Raven: Pfad der Träume – Ghostwalker 2 (Buch)

Michelle Raven
Pfad der Träume
Ghostwalker 2
Titelgestaltung von HildenDesign, München unter Verwendung von Motiven von Leonard McLane/Getty Images und Melissa Schalke/Shutterstock
Lyx, 2010, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 440 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8035-8225-7

Von Irene Salzmann

Nachdem Coyle das Camp der Wer-Pumas verlassen hat, um mit der Journalistin Marisa zusammenzuleben, wird Finn der neue Anführer des Rudels. Immer mehr fühlt dieser sich zu Jamila, der Wer-Leopardin, hingezogen, die sich nach ihren schrecklichen Erlebnissen noch immer in der Obhut der Gruppe befindet.

Ihre Schwester Kainda hat hingegen das Lager verlassen und sucht nach einem Weg, der sie beide zurück in die Heimat bringt. Nicht jedem gefällt die sich anbahnende Beziehung zwischen Finn und Jamila, denn die Berglöwen können nicht vergessen, was ihnen die jungen Frauen, die selber Opfer waren und unter Zwang handelten, angetan haben.
Kainda hat bereits eine längere Strecke hinter sich gebracht, als sie von einem jener Jäger aufgespürt wird, von denen sie und Jamila in Afrika eingefangen worden waren. Knapp kann sie entkommen, wird jedoch von einem Truck angefahren und in eine Tier-Klinik gebracht. Ryan Thorne, der Chef-Arzt, ist sogleich fasziniert von der schönen Leopardin, die er Etana nennt. Nach und nach kann er Kaindas Vertrauen und ihre Liebe gewinnen. Als der Jäger erneut zuschlägt, verteidigt sie Ryan und alarmiert die Sanitäter. Für diese mutige Tat soll die Leopardin eingeschläfert werden.
Unterdessen ist Jamila voller Sorge, denn das geistige Band, das sie mit der Schwester teilt, lässt sie ahnen, dass etwas Schlimmes passiert ist. Marisa nutzt ihre beruflichen Möglichkeiten, um unauffällig Nachforschungen über Kaindas Schicksal anzustellen. Als sie im Veterinäramt eintrifft, um das Schlimmste zu verhindern, wird ihr eine tote Leopardin gezeigt …

Wie schon im ersten „Ghostwalker“-Roman, „Die Spur der Katze“, in dem Marisa und Coyle zusammenfanden und sich zärtliche Gefühle zwischen Bowen und Isabel entwickelten, stehen auch in diesem relativ in sich abgeschlossenen Band, „Pfad der Träume“, zwei Paare im Mittelpunkt der Geschehnisse:
Zum einen umkreisen sich Finn und Jamila, doch haben beide Gründe, ihre Gefühle zu unterdrücken. Finn trägt die Verantwortung für die Sicherheit des Rudels und will unnötige Konflikte vermeiden. Zu Recht befürchtet er, dass jene, die die Leopardinnen ablehnen, ihm unterstellen könnten, er handle aus persönlichem Interesse, wenn er eine Beziehung zu Jamila unterhält und Kainda Hilfe schickt. Jamila wiederum spürt, dass sie im Lager unwillkommen ist und möchte sich nicht in einen Mann verlieben, den sie früher oder später verlassen wird, um in ihre Heimat zurückzukehren. In Folge gibt es ein längeres Hin und Her zwischen den beiden.
Kainda und Ryan Thorne sind das andere Paar. Vor wenigen Monaten hatte Kainda alle Angehörigen und Freunde, ausgenommen Jamila, verloren. Dass es für sie ein zweites Glück geben könnte, hätte sie niemals erwartet. Allerdings harren die Toten der Bestattung, und Kainda wird immer noch verfolgt. Auch wenn es ihr schwerfällt, will sie Ryan verlassen. Der junge Arzt ist fasziniert von der zutraulichen und klugen Leopardin. Warum er so stark für sie empfindet, kann er sich selber nicht erklären. Schließlich erscheint eine schöne Frau in seinen Träumen, mit der er den besten Sex seines Lebens hat. Kurz darauf verliert er Etana beziehungsweise Kainda, und ein Happy End scheint ausgeschlossen.

Aber die Autorin hat noch einige Tricks auf Lager, die dafür Sorge tragen, dass die Leserinnen nicht enttäuscht werden. Stellenweise wirkt die Handlung schon etwas konstruiert. Hinzu kommt, dass für einen ‚abgeschlossenen’ Roman zu viele Fragen offen bleiben und manche Handlungsstränge zu abrupt gekappt werden. Es ist anzunehmen, dass die weiteren Bände hier ansetzen und dabei der Fokus auf andere Paare gerichtet wird (Griffin und Amber, Bowen und Isabel, Torik und …).
Ebenfalls ziemlich an den Haaren herbei gezogen erscheint Kaindas Suche nach einer Möglichkeit, in die Heimat zu gelangen. In Amerika gibt es keine Leoparden; dass Kainda auffällt und die anderen Wandler im Falle der Gefangennahme in Gefahr bringen würde, liegt auf der Hand. Dass Sicherheitsfreaks wie Finn das Risiko eingehen, wirkt unlogisch. Ferner besitzt kaum ein Wandler offizielle Papiere. Daher ist es praktisch aussichtslos, Behörden zu bemühen oder gar in menschlicher Gestalt auszureisen. Zwar nutzen sie die moderne Technik und sollten fähig sein, Pässe zu fälschen, doch entweder kommen die Protagonisten gar nicht erst auf die Idee oder sind zu stur, um zu solchen Mitteln zu greifen und gegebenenfalls einen Tiertransport zu veranlassen. Die Hoffnung, in einem Land wie Mexiko, das mehr Lücken in seinem System aufweist, bessere Chancen zu haben als in den USA oder sonst wo, wirkt blauäugig, wenn nicht gar unsinnig wie Kaindas Wanderung an sich. Allerdings hätte sie sonst ja nicht Ryan kennen lernen und keine Abenteuer erleben können …
Tatsächlich bringen die Szenen, in denen der Jäger und ein Unbekannter agieren, Spannung in die Handlung. Action ist allerdings ebensowenig wie die Fantasy das Hauptanliegen der Serie. Diese steht ganz im Zeichen der Romantik und der Erotik. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und wartet regelmäßig mit explizitem Sex auf. Auch hier schüttelt man als Leser immer wieder den Kopf, weil die Protagonisten bei jeder Gelegenheit übereinander herfallen, selbst wenn sie den Kopf voller Sorgen haben und sich um wichtige Angelegenheiten kümmern sollten. Aber das ist es, was das Publikum sich wünscht, und kaum jemand der Zielgruppe wird nach dem Sinn oder Unsinn fragen, wenn der Sex bloß heiß genug ist.

„Pfad der Träume“ ist schwächer als sein Vorgänger, denn die Autorin folgt zu sehr den Genre- und ihren eigenen Klischees. Die Handlung wirkt stellenweise konstruiert, das Handeln der Figuren unangemessen. Aus den spannenden Momenten hätte man mehr herausholen können, aber das ist bei Paranormal Romances nun mal nicht vorgesehen. Zu viele Antworten wurden auf die Folgebände verschoben, so dass das zweite Buch der „Ghostwalker“-Serie wie ein Fortsetzungsroman erscheint und nicht völlig zufriedenstellt. Die Charaktere entsprechen den gängigen Archetypen: Sie sind jung, schön, leidenschaftlich, allzeit bereit – dabei austauschbar, da sie nicht wirklich individuelle Züge tragen.
So ist „Pfad der Träume“ ein unterhaltsamer Liebesroman mit viel Erotik und wenig Fantasy aus der Feder einer deutschen Autorin, der beweist, dass man hier sein Handwerk ebenso versteht wie in den USA. Der Titel ist ausschließlich für die Fans der Romantic Fantasy interessant. Leser, die High Fantasy, Sword & Sorcery und sonstige Spielarten der Phantastik bevorzugen, sind mit anderen Titeln besser beraten.