Bernd Perplies: In den Abgrund – Magierdämmerung 3 (Buch)

Bernd Perplies
In den Abgrund
Magierdämmerung 3
Titelillustration von Max Meinzold
Lyx, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 500 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8266-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Bernd Perplies entführt seine Leser in ein London des Jahres 1897. Anders, als es uns die Geschichtsbücher aber weismachen wollen, herrscht am Vorabend des Ersten Weltkriegs kein eitel Sonnenschein im Empire. Verborgen vor den Augen der Weltöffentlichkeit wachen die Magier des Silbernen Kreises mit ihrer Fadenmagie darüber, dass den Menschen von der wilden Magie keine Gefahr droht.

Lord Wellington, ein Angehöriger des Silbernen Kreises, beschließt zum Wohle des Britischen Reiches die verschollene Wahre Quelle der Magie aus den Tiefen des Meeres auftauchen zu lassen und für seine finsteren Machtpläne zu nutzen. Der Überfall gelingt, der Silberne Rat wird überrumpelt, die Quellwächter ausgeschaltet. Mit Hilfe der ihm nun im Übermaß zur Verfügung stehenden Magie schafft Wellington an der Quelle Hybridwesen, er verbindet Mensch und Maschine, um so eine unbesiegbare Waffe zu schmieden.

Vier Parteien machen sich auf den Weg zur Quelle, um den Usurpator dort aufzuhalten. An Bord des gigantischen Luftschiffes, der „Cadius Die“, befinden sich die Agenten des Römischen Officium contra Magie, die „USS Brooklyn“ schafft die Agenten der Abteilung für spezielle Operationen der US Army zum Ort des Geschehens, ein neuartiges Schnellboot befördert eine Enkelin der Queen über die Wellen und der fliegende Holländer – nicht die Wagner’sche Version, sondern das Original – bringt die jungen Abgesandten der Quellhüter zu ihrem Einsatz. Auf der aus den Fluten des Atlantiks emporgehobenen Insel treffen die Parteien zum letzten Schlagabtausch um die Zukunft der Welt aufeinander…

Wie schon in den ersten beiden Romanen der Trilogie lebt auch dieser Band neben den packend beschrieben Kampfszenen von der einzigartigen Ausgestaltung der Magie. Die Fadenmagie mit ihren Besonderheiten wirkt frisch und unverbraucht und bietet darüberhinaus jede Menge faszinierender Anknüpfungspunkte. So schweben die Perplies’schen Magier nicht einfach durch die Luft, sondern ziehen sich an Magiefäden durch selbige, oder nutzen die Fäden als Zielvorrichtung für Kugeln und Bomben.

Die erste Hälfte des umfangreichen Romans nutzt der Autor dazu, seine unterschiedlichen Gruppen zu positionieren. Wir verfolgen mit, wie die Abgesandten der beteiligten Weltmächte sich an die Insel der Quelle heranpirschen, wie sie von Verrat aber auch gegenseitigem Misstrauen aufgehalten werden. Neben interessanten Einfällen – etwa dem Auftauchen des echten fliegenden Holländers und seines mysteriösen Schiffes – bieten diese Kapitel zunächst einmal wenig wirklich Neues. Es wird intrigiert, Hintergründe werden beleuchtet, der Fluss der Handlung verlangsamt sich. Zwar gelingt es dem Autor auf diese Weise, seine Handlung mit mehr Tiefe zu versehen und die Basis für das Finale zu legen, dies aber zu Lasten der Action.

In Richtung Finale nimmt dann das Tempo wieder deutlich zu, zumal die Auseinandersetzungen eine neue Qualität erreichen. Hier haben wir die zunächst vermissten packenden Kämpfe, nimmt Perplies uns ganz in dem Plot gefangen. Natürlich ahnen wir als versierte Fantasy-Leser, dass der Bösewicht aufgehalten wird, doch das „wie“ bleibt bis zum Ende relativ offen. Gerade in den letzten Kämpfen aber geht es ein wenig überstürzt zu. Zu viele Kontrahenten treffen aufeinander, der Focus wechselt laufend und zu oft muss in letzter Sekunde der Zufall seine helfende Hand ausstrecken. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Insgesamt gesehen hat Bernd Perplies mit seiner Trilogie ein interessantes Werk geschaffen, das sich den momentan angesagten Steampunk angliedert, ohne diesem ganz zu entsprechen. Geschickt nutzt er zu Anfang Verne’sche U-Boote und Zeppeline, bevor er sich dann auf seine Fadenmagie und die Revolution Wellingtons und seiner Anhänger konzentriert. Hybridwesen reichern den Text ebenso an wie Inquisitoren der katholischen Kirche, deutscher Ingenieurgeist und amerikanischer Pragmatismus. Letztlich ist der Abschlussband gerade in seiner ersten Hälfte vielleicht ein wenig zu lang geraten, bringt die Handlung aber ohne Brüche zu seinem überzeugenden, packend aufgezogenen Ende. Nach seiner High-Fantasy Trilogie um Tarean hat Perplies bewiesen, dass er auf eigenen Pfaden zu wandeln versteht.