Richard Kadrey: Höllendämmerung – Sandman Slim 1 (Buch)

Richard Kadrey
Höllendämmerung
Sandman Slim 1
(Sandman Slim)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bernhard Kleinschmidt
Titelillustration von Jens Weber
Rowohlt, 2011, Paperback, 430 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86252-013-8

Von Carsten Kuhr

Hallo, mein Name ist Stark. Nicht Mister Stark, schon gar nicht Jimmy oder James Butler Hickok Stark, nur Stark. Einst war ich der beste Magier von L. A. – bis meine Freunde, pardon: Ex-Freunde, vom magischen Zirkel beschlossen, mir einen Urlaub zu spendieren. Elf Jahre in der Wärme. Ja richtig geraten, ich war der erste Mensch, der jemals lebendig in der Hölle war. Und ich habe überlebt. Jetzt bin ich zurück. Und ich bin so was von angepisst!

L. A. ist voller Arschlöcher und Engel, Blutsauger und Investement-Satanisten, Schwarzmagier und Filmmogule, in deren Kellern mehr Leichen vergraben liegen als unter dem Haus von John Wayne Gacy. Außerdem gibt es hier mehr Überwachungskameras und Stacheldraht als im Vatikan. L. A. Ist immer exakt einen Verkehrsstau vom totalen Kollaps entfernt. Gott ich liebe diese Stadt (Seite 410). Hier passe ich her, hier will ich sein, hier will ich sterben. Aber vorher gibt es noch etwas zu richten – die Waagschalen müssen austariert werden, koste es, was es wolle.

Ein Sprichwort sagt, Rache ist ein Gericht, das kalt serviert am besten mundet. Aber hey, schon vergessen, in der Hölle ist es teuflisch warm – also nichts mit kalter Rache. Und als höllischer Auftragskiller Sandman Slim, der die gefallenen Engel gleich reihenweise in den Tartarus geschickt hat weiß ich, wie man tötet. Aus der Hölle habe ich drei Dinge mitgebracht: einen Schlüssel, der mich überall hinbringt, wohin auch immer ich möchte, Azazels Knochenmesser und körperliche Robustheit. Inzwischen kann mich nichts mehr umbringen. Das ist ein echter Vorteil, wenn man gegen einen Scheißkerl wie Mason, meinen Ex-Kumpel, und die ihn unterstützenden Anti-Engel antritt. Dass ich mich dabei wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen aufführe ist mir egal – es gilt nur, Rache zu nehmen für meine Verbannung und die Ermordung der einzigen Frau, die ich je wirklich geliebt habe. Da ist mir die Rettung der Welt relativ schnuppe…

Was ist das für ein Roman, einmal mehr der Auftakt einer Serie, deren dritter Teil in den Staaten gerade in den Startlöchern steht, den uns Rowohlt, ein Verlag der für seine literarischen Ambitionen bekannt ist, da vorstellt? Er spielt im Hier und Jetzt, besser gesagt in L. A., wartet mit gefallenen Engeln und Gottesboten ebenso auf wie mit Magiern und Vampiren. Und doch ist das Werk von den üblichen Urban-Fantasy-Romanen weit, weit entfernt. Statt emotional-erotischen Verwicklungen oder manischen Schuhkauf-Orgien wartet ein Anti-Held auf uns, der so herzerfrischend anders, direkt, brutal und gewalttätig ist, dass man von ihm schlicht hinweg gerissen wird.

Dabei sind die Charakterzeichnungen nicht unbedingt die Stärke des Buches. Diese liegt in der atemlosen Action die voranstürmt, in der Aufdeckung der Geheimnisse die uns nach und nach erwarten, und im Kampf gegen die, natürlich, bös-fies-perversen Gegner. Doch da passt unser Stark bestens dazu, wenn er Köpfe abschlägt, Engel aufspießt und Freunde brüskiert. Das wirkt wie eine Kombination aus B-Movie auf Speed und Comic, wirkt auf den Leser sehr bildhaft und ist für eine Umsetzung in einen Film – die gerüchteweise vorgesehen ist – wie geschaffen.

Aufregend, urban, impulsiv, gewalttätig und sarkastisch, das sind die Adjektive, die mir zu dem Roman sofort einfallen. Nicht einfallen werden dem Leser Wörter wie langweilig, vorhersehbar oder abgedroschen. Insoweit, zwar sicherlich wegen des hohen Gewaltpotentials nicht jedermanns Geschmack, aber erfrischend anders und damit eine Empfehlung wert.