Sandman präsentiert 4: Destiny – Eine Chronik angekündigter Tode (Comic)

Alisa Quitney
Sandman präsentiert 4
Destiny – Eine Chronik angekündigter Tode
(Destiny: A Chronicle of Deaths foretold #1-3,1997)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration und Zeichnungen von Kent Williams Scott Hampton, Michael Zulli, Rebecca Guay
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 156 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86201-179-7

Von Christel Scheja

Nach dem Ende der „Sandman“-Reihe beschloss Neil Gaiman offensichtlich, das Universum nicht zu begraben, sondern auch anderen Autoren und Künstlern, mit denen er bereits zusammengearbeitet hatte, die Chance zu geben, ihre Geschichten und Figuren weiter auszuarbeiten oder anderen mehr Tiefe zu verleihen. So darf Alisa Quitney nun die Geschichte von Destiny weiter ausbauen, dem ältesten Bruder von Dream.

Alles beginnt in einer nicht näher bezeichneten, aber nicht allzuweit vorausliegenden Zukunft. Wieder einmal ist die Pest ausgebrochen und der Menschheit nicht gelungen, sie einzudämmen, sodass viele große Städte und weite Landstriche entvölkert wurden. Nur wenige haben überlebt, weil sie sich rechtzeitig abgeschottet haben, so wie die Bewohner einer abgelegenen amerikanischen Kleinstadt. Viele von ihnen tragen Schmerz in sich, verbergen ihn aber vor den anderen, sodass bald schon Lügen und Bigotterie das Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmen. Da kommt ein Fremder namens Riley in die Stadt, den niemand richtig einschätzen kann. Er bietet ihnen einen Blick in das „Buch des Schicksals“, um ihnen so vielleicht Hoffnung und Mut zu machen. Damit sie nicht die Katze im Sack kaufen müssen, öffnet er die Seiten des Folianten und gibt ihnen Einblicke in die Vergangenheit.

Das erste Mal erfahren sie mehr über das erste Auftreten der Pest in Byzanz. Ausgerechnet Kaiserin Theodora, die immer noch um ihre Stellung kämpfen muss, weil sie von niedriger Geburt ist, wird zur Schlüsselfigur im Ringen der Schicksalsmächte, da sie einen gefährlichen Handel mit dem Schicksal eingeht. Und auch einige Jahrhunderte später, im 14. Jahrhundert, stehen eine Edeldame und ihr Ritter vor einer ähnlichen Wahl.

Zwar scheinen die Geschichten zunächst nichts mit der gegenwärtigen Lage zu tun zu haben, aber ausgerechnet eine junge Frau durchschaut das Angebot des Fremden und findet so heraus, was er wirklich will. Doch dabei lernt sie auch, sich die Frage zu stellen, ob der Blick in die Zukunft wirklich den Preis wert ist, den sie eventuell zahlen müsste.

Destiny war schon in der „Sandman“-Serie ein rätselhafter Charakter und das bleibt er auch in diesem Band. Autorin und Künstler setzen die Geschichte passend und stimmungsvoll um, was allein schon an den unterschiedlichen Zeichnungen liegt. Schmutzig, verwaschen und auch ein wenig trostlos kommt die Gegenwart daher, während die Rückblicke in die Vergangenheit eher detailreich und fein gezeichnet sind, wie Illustrationen zu historischen Romanen.

Die Geschichten selbst erzählen von menschlichen Ängsten und Leidenschaften, dem Kampf um das Überleben in einer Welt, die sich plötzlich gegen einen wendet und den Versuch, das Schicksal zu überlisten. Dabei fließen skurrile Fußnoten der Geschichte ebenso mit ein, wie sarkastische Kommentare auf die ambivalente Natur der Sterblichen, die allzuoft Gutes will, aber auch dunkle Mittel nutzt, um ihr Ziel zu erreichen. Doch auch Destiny selbst erweist sich als nicht so erhaben über Gefühle als man es gemeinhin vom Schicksal erwartet. Das bringt ihn dazu, ausgerechnet im 16. Jahrhundert einen schweren Fehler zu begehen. Und genau das ist der Schlüssel zu einem Geheimnis, das sich erst im Verlauf der Geschichte enthüllt.

So verläuft das Spiel mit dem Schwarzen Tod und dem Schicksal sehr mystisch und vor allem atmosphärisch dicht. Einiges klärt sich erst mit dem zweiten Lesen, anderes bleibt auch danach verschlossen. Heraus kommt eine Mischung, die es in sich hat und durchaus mit der Mutterserie mithalten kann. Trotz aller Enthüllungen bewahrt Destiny aber viele seiner Geheimnisse, sodass man sich sehr gut vorstellen kann, auch weitere Abenteuer mit ihm genießen zu können, in denen er ganz anders aber ähnlich rätselhaft bleibt.

„Destiny“ gehört zu den zusätzlichen Bänden, die man allen Fans von „Sandman“ uneingeschränkt empfehlen kann, auch wenn die Geschichte selbst nicht vom Altmeister Gaiman ist.