Odin 1 (Comic)

Odin 1
(Odin 1, 2010)
Text: Nicolas Jarry
Zeichnungen: Erwan Seure-Le Bihan
Aus dem Französischen von Uwe Löhmann
Titelillustration von Seure-Le Bihan
Ehapa, 2011, Hardcover, 64 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-7704-3497-8

Von Irene Salzmann

Die Götterdämmerung und damit der letzte Kampf der Asen ist gekommen. Odin erinnert sich, wie bereits während der Schöpfung die Weichen für den Untergang gestellt wurden.

Er und seine Brüder erschlugen die Riesen, schufen aus Ymirs Körper die Welt und bevölkerten sie mit den Menschen. Von den Alben lernte Odin Dinge, die er wiederum die Menschen lehrte. Nach der Erbauung Walhallas machte er sich die anderen Götter Untertan und zeugte mit Frigga Tyr, Thor und Baldur. Aus Angst vor seiner eigenen Sterblichkeit suchte er Erkenntnisse und fand doch kein Mittel, um Ragnarök zu vereiteln. Durch einen gerissenen Trick inszenierte Loki den Tod Baldurs und damit den Anfang vom Ende…

Wer mit dem Sagenstoff der „Edda“ vertraut ist, kennt die Geschichte und natürlich ihren Ausgang. Nicolas Jarry („Götterdämmerung“) hielt sich in seiner Erzählung getreu an die Vorlage, konzentrierte sich dabei jedoch auf die wesentlichen Ereignisse, die Ragnarök unaufhaltsam näher rücken ließen, und beleuchtet sie aus Odins Sicht in einer angemessenen, nicht zu pathetischen Sprache. Alle Neben-Sagas wurden weggelassen. Diese langsame Eskalation ist in eine Rahmenhandlung eingebettet, in der ein gealterter Odin, der sich mit dem Unausweichlichen abgefunden zu haben scheint und sich die Fehler, die er selbst begangen hat, eingesteht, auf den Ausbruch des Kampfes wartet, der auf den letzten Seiten beginnt – im Morgengrauen, der Götterdämmerung, was auch zeichnerisch passend wiedergegeben wurde.

Überhaupt sind es die aufwändigen, atmosphärischen Bilder, die dafür sorgen, dass der bekannte Stoff dem Leser auf reizvolle Weise präsentiert wird. Erwan Seure-Le Bihan arbeitete unter anderem als Museums-Illustrator und für Disney; „Odin“ ist sein erster Comic. Da auf dem Cover „Band 1“ steht, wird man wohl zumindest noch mit einem Schlachtengemälde rechnen dürfen.

Die Zeichnungen sind realistisch und sehr detailreich (insbesondere die Gewänder, während die Landschaften und Gebäude gröber dargestellt werden), muten dabei mittelalterlich-nordisch, gelegentlich wie vom Teppich von Bayeux inspiriert an. Die Farbgebung ist überwiegend düster, es werden gezielt kalte Farben eingesetzt, wenn sich unheilvolle Entwicklungen anbahnen, oder feuriges Rot, wenn Loki, der Gott des Feuers, seine Intrigen spinnt und Blut fließt. Sehr schön ist auch die abwechslungsreiche, an einen Film erinnernde Panel-Gestaltung, die das Auge des Lesers unaufdringlich lenkt (Wechsel von Totale zu bestimmten Bildausschnitten und das Zoom-in oder Zoom-out eines Motivs in mehreren Schritten). Vor allem am Ende ist der Wandel von Loki, der sich in Agonie befindet, zum triumphierenden, Rache suchenden Bringer des Endes und der Vergleich von ihm und Odin als feindliche Heerführer beeindruckend umgesetzt.

Ehapa hat das Erscheinungsdatum von „Odin“ glücklich gewählt, denn durch die Marvel-Verfilmung „Thor“ ist das Interesse an nordischen Mythen größer denn je. Zweifellos kommen auch andere Comic-Reihen wie „Siegfried“, „Götterdämmerung“, „Thorgal“ etc. in den Genuss dieser Popularität, obwohl sie auch ohne diese ‚Werbung‘ überzeugen können.

Freunde schön gezeichneter Comic-Alben, die Fantasy und Mythen schätzen, werden von „Odin“ nicht enttäuscht!