David Chandler: Die Metropole der Diebe – Ancient Blades 1 (Buch)

David Chandler
Die Metropole der Diebe
Ancient Blades 1
(Den of Thieves, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Andreas Decker
Titelkonzeption von semper smile, Gestaltung von Guter Punkt unter Verwendung eines Motivs von Oliver Wetter
Piper, 2011, Paperback, 484 Seiten (plus 10 Seiten Leseprobe aus „Das Grab der Elfen – Ancient Blades 2“), 12,95 EUR, ISBN 978-3-492-26754-0

Von Irene Salzmann

Durch seine Gerissenheit zieht sich der Dieb Malden die Aufmerksamkeit von Cutbill zu, dem Meister der Diebesgilde von Ness. Der junge Mann hat keine Wahl: Er muss Mitglied der Gilde werden, sich ihren Regeln unterwerfen und von seinen Einnahmen einen nicht gerade geringen Anteil an Cutbill abtreten. Im Gegenzug genießt er den Schutz der Gilde, hat Zugriff auf wertvolle Hilfsmittel, die der Zwerg Slag anfertigt, und darf davon träumen, eines Tages richtig ‚frei‘ zu sein und Ness verlassen zu können, ohne dass er jenseits der Stadtmauern aufgegriffen und als Feldsklave an einen Adligen verkauft würde.

Zunächst jedoch muss Malden das Gold aufbringen, das der Meister dafür fordert, dass er das neue Mitglied seiner Gilde im Rang eines Gesellen aufnimmt. Infolge lässt sich Malden auf ein riskantes Unternehmen ein, dessen Konsequenzen er nicht abschätzen kann. Für die schöne Cythera stiehlt er die Krone des Burggrafen. Dessen Leute lassen daraufhin Cutbills Schlupfwinkel durchsuchen, töten alle Diebe, die sie finden, und befragen den Gildenmeister sogar durch einen Magier. Cutbill, der zu wissen glaubt, wer der Täter ist, verrät ihn nicht, da er davon überzeugt ist, dass nur Malden, der den Ärger über die Gilde brachte, eine Lösung finden kann, die ihnen allen das Leben rettet. Darum muss Malden die Krone, die sich nun im Besitz des Magiers Hazoth befindet, zurückbringen. Ihm zur Seite stehen der verfluchte Spieler Kemper, der edle Ritter Sir Croy, der Cythera liebt und sie aus Hazoths Gewalt befreien will, der Oger Gurrh und Cythera, die jedoch nicht frei ist in ihren Entscheidungen.

Aber warum ist die Krone, die zu Maldens Verdruss spricht und ihm Befehle zu erteilen versucht, so wichtig? Welche Macht hat Hazoth über Cythera und ihre Mutter, die Hexe Coruth? Wie soll Malden die Krone aus dem bestens gesicherten Haus des uralten, bösen Magiers stehlen – und am Leben bleiben?

„Ancient Blades“, die neue Serie aus der Feder David Chandlers, erinnert vage an Fritz Leibers Bände um „Fafhrd & Grey Mouser“, doch während Leiber die Abenteuer seiner Protagonisten kurz und präzise, mit viel Drama, Action und Humor beschreibt, nimmt sich Chandler sehr viel Zeit, die Location zu schildern, die Akteure einzuführen und die Konflikte aufzubauen. Dadurch entsteht einerseits ein detailreiches, buntes Bild von Ness, die Handlung ist atmosphärisch dicht und die Charaktere wirken realistisch, doch andererseits wird das Tempo gebremst, und es gibt immer nur kleine Spannungsbögen, aber keine wirklich dramatischen Peaks, vom finalen Showdown einmal abgesehen.

Vor allem wenn man das Schema erkannt hat, ahnt man, dass Malden, die Hauptfigur, immer wieder ein Mittel findet, um sich aus einer ausweglosen Situation zu retten, sei es durch einen unverhofft auftauchenden Helfer, ein bislang unerwähntes Hilfsmittel, eine nicht genannte Einzelheit in seinem Plan oder durch Glück und puren Zufall. Trotzdem folgt man dem Buch gern bis zum Ende, da es die Zusammenhänge sind, die faszinieren – die Verbindung zwischen Hazoth und Cythera, das Rätsel um die Krone, die Identität des geheimen Drahtziehers, der hinter allem steckt –, mit deren Aufdeckung sich der Autor ebenfalls Zeit lässt.

Im Vergleich zu Malden bleiben Cythera und Croy leider etwas blass, da sie zu sehr auf die Rollen der damsel in distress und des knight-errant festgelegt sind, wobei Chandler den edlen Recken auch noch auf die Schippe nimmt, indem er diesen als weltfremden, nur für seine Ehre lebenden Schwertschwinger bezeichnet, dem jegliche Finesse fehlt. Dadurch stellt man den Serientitel „Ancient Blades“ – Croy ist ein Ritter, der diesen Titel aufgrund eines besonderen Trainings und eines Dämonen vernichtenden Schwertes trägt – doch etwas infrage, denn nicht jene Ritter, sondern die in der schmutzigen Realität verhafteten Diebe, denen es rein ums Überleben geht, sind die wahren Helden.

Darum wirken auch die Nebenfiguren sehr viel reizvoller, und man würde gern mehr über sie erfahren, beispielsweise über Kemper, auf dem ein Fluch liegt, der ihn Mensch und Geist zugleich sein lässt, die junge Diebin, die Malden durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver eine große Hilfe ist, der knurrig-derbe Zwerg Slag, die drei uralten Diebe, die Cutbills Versteck bewachen, und etliche andere. Da weitere Bände geplant sind, wird der eine oder andere gewiss wieder auftauchen, und zudem dürfte nach und nach verraten werden, in wessen Händen sich die anderen fünf beziehungsweise sechs Schwerter befinden, wer außer Croy ein „Ancient Blade“ ist und die Welt vor Dämonen zu verteidigen geschworen hat.

Alles in allem ist „Stadt der Diebe“ ein unterhaltsamer Fantasy-Roman, der zwar nicht so spritzig ist wie die Diebesgeschichten von Fritz Leiber oder Robert Asprins Romane, sich aber auch nicht so zäh liest wie die High-Fantasy-Romane von Tad Williams oder Robert Jordan. Schätzt man das Genre, wird man nicht enttäuscht, denn die Charaktere sind sympathisch und interessant, die Handlung kommt nie zum Stillstand – und am Ende ist man gespannt auf den nächsten Band, auch Dank des kleinen Appetizers in Form einer Leseprobe.