Prometheus 1: Atlantis (Comic)

Prometheus 1
Atlantis
(Prométhée: Arlantis)
Text & Zeichnungen: Christophe Bec
Farben: Sébastien Gérard
Übersetzung: Resel Rebiersch
Lettering: Bernd Kronsbein
Splitter, 2009, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-083-5

Von Frank Drehmel

Mit »Atlantis« legt Christophe Bec einen verstörenden Auftakt-Band seiner »Prometheus«-Reihe vor, bei dem weder eine konkrete Grundhandlung erkennbar wird, noch sich überhaupt das Genre – Mystery, Horror, Science Fiction – eindeutig bestimmt lässt. Vielmehr besteht die Geschichte aus einer Aneinanderreihung unterschiedlicher, mehr oder weniger rätselhafter Szenen, die einen Äonen langen Zeitraum – beginnend mit einem Schöpfungsmythos über eine Begebenheit zu Beginn der Neuzeit im frühen 16. Jahrhundert bis hin zu zukünftigen Ereignissen im Jahre 2019 – umspannen, Szenen, deren Verbindung noch im Dunkeln liegt, denen aber größtenteils ein beunruhigender, bedrohlicher Unterton innewohnt.

Wir schreiben den 21. September des Jahres 2019. Um exakt 13:13 UTC (Universal Time Coordinated) verschwindet das Spaceshuttle Atlantis, das schon lange ausgemustert sein sollte, während seines definitiv letzten Fluges zur ISS von den Kontrollschirmen des Kennedy Space Centers. Gleichzeitig bleiben weltweit sämtlichen Uhren für etwa zwei Stunden stehen, egal ob es sich um digitale, analoge, um historische Uhren oder modernste Atomchronometer handelt. Während Experten noch an einer Erklärung für den Zwischenfall, der in weiten Teilen der Welt für Chaos sorgte, suchen, landet zwei Tage später das Shuttle unbeschädigt auf der Airbase, an Bord nur noch ein Überlebender, der inmitten der zerfetzten Leichen seiner Kameraden kniet. Am folgenden Tag, dem 24. September, suchen seltsame Erscheinungen die Meere heim, sei es ein U-Boot aus dem 2 Weltkrieg oder ein lange verschollene Passagierschiff, das wie aus dem Nichts auftaucht.

Auch wenn der Leser trotz vager Andeutungen, welche sich um Tod, Abschied oder Zerfall ranken, und möglicher mythologischer Exegese – beispielsweise der Verlust des dem Menschen durch Prometheus, dem Titanensohn, gebrachten, Zivilisation schaffenden Feuers als Analogie für den Verlust der Herrschaft des Menschen über die Zeit – noch keinerlei Ahnung hat, wohin die Geschichte steuert, so macht sich von Beginn an ein Gefühl der Beklemmung, einer vagen unguten Vorahnung breit, das mangels konkreter, expliziter Hinweise im Wesentlichen aus der Konfrontation der auch grafisch klar strukturierten, rationalistischen, hochtechnischen Welt mit dem Unerklärlichen sowie der grundsätzlichen Unfähigkeit der akademischen Elite unter den Protagonisten, die Ereignisse jenseits der bloßen Deskription zu verstehen, erwächst.
Im Gegensatz zu Christophe Becs Story ist das Artwork von bestechender – fast distanzierter – Klarheit. Die einzelnen Panels sind in der Exaktheit der Proportionen von Figuren und Hintergrund, den Details wie Faltenwürfen oder Belaubung von Bäumen sowie der generellen Linienführung so realistisch, so authentisch, dass sie den Eindruck vermitteln, ihnen lägen Fotos zu Grunde. Eine Verfremdung erfahren die Bildelemente szenenweise dadurch, dass der Künstler die Komplexität insbesondere der Gesichter der Frauen gezielt reduziert und sich darüber hinaus nicht scheut, mit tiefen Verschattungen zu arbeiten.
Dem um Authentizität bemühten grafischen Ansatz folgt die Koloration Sébastien Gérards nahezu perfekt. Mit natürlichen Farbtönen verleiht er den unterschiedlichen Szenen eine jeweils ganz eigene, realistische Atmosphäre und cineastische Intensität.

Fazit: Verstörend, rätselhaft und dennoch hochspannend ist »Atlantis« ein vielversprechender Auftakt, der den Leser dem Folgeband entgegenfiebern lässt.