Gail Carriger: Glühende Dunkelheit (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 22. Mai 2011 21:15

Gail Carriger
Glühende Dunkelheit
(Soulless)
Aus dem Englischen übersetzt von Anita Nirschl
Titelillustration: Max Meinzold
Blanvalet, 2011, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 416 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-442-37649-0
Von Carsten Kuhr
Man schreibt das 19 Jahrhundert. Die Aufklärung hat längst dafür gesorgt, dass sich die menschlichen Umgangsformen zu einem gewissen Standard entwickelt haben, und selbst Werwölfe und Vampire halten sich an einen entsprechenden Kodex. Da kann man, auch wenn es ein junger, erst kürzlich gewandelter Vampir ist, doch nicht einfach hergehen und ungebeten und unangekündigt jemanden beißen!
Zumal, wenn dieser Jemand eine gewissen Alexia Tarabotti ist, die sich aufgrund ihrer Seelenlosigkeit als Außernatürliche ihrer Haut zu erwehren weiß – wie ihre hölzerne Haarnadel im Herzen des Möchtegern-Beißers nur zu deutlich beweist. Dabei gehört unsere Alexia der guten Gesellschaft an, ist eine Dame aus gutem Hause, die allerdings mit Mitte Zwanzig immer noch nicht verheiratet ist, ja zudem noch die unglaubliche Chuzpe besitzt, arbeiten zu wollen.
Mag sein, dass ihre resolute Art die Gentlemen abgeschreckt hat, oder ihre etwas zu dunkle Haut, gar nicht zu reden von der markanten Nase, die der feinen Gesellschaft zu exotisch ist, auf jeden Fall ist sie seit ihrem 15. Geburtstag eine alte Jungfer, die auf den Bällen nie als verfügbare Heiratskandidatin vorgestellt wurde. So ist sie als „Original“ verschrien, als Frau mit einem sturen Charakterzug, die dafür aber gewisse Freiheiten hat. Das muss auch der Earl of Woolsey Lord Maccon, der als Werwolf dem BUR, dem Ministerium für Natürliche-Übernatürliche Beziehungen vorsteht und dem Schattenparlament Königin Victorias angehört, erfahren.
Bei der Aufklärung woher die die heimatlosen Vampire kommen, und wohin die Einzelgänger unter den übernatürlichen Wesen verschwunden sind, stößt er auf einen neuen Club mitten in einem der besten Viertel der englischen Metropole. Gefangengesetzt, ausmanövriert und gefoltert haben er und seine Leidensgenossen nur eine Hoffnung: die ebenfalls gekidnappte Alexia wird es mit ihrer resoluten Art schon irgendwie richten – zumal ihr die beeindruckende Ausstattung des adeligen Werwolfes in dessen unteren Regionen zusätzlich anspornt – schließlich hat der Earl um ihre Hand angehalten…
Hatten wir das nicht schon einmal? Eine aufmüpfige victorianischen Lady, die sich aufmacht, der übernatürlichen Gemeinde der Welt zu zeigen, was eine Harke ist? Richtig, ebenfalls bei Blanvalet erschien Coleen Glearsons „Das Buch der Vampire“, die dem Leser entsprechendes Lesefutter anbot. Im Gegensatz zu Glearson aber setzt Carriger ihre Handlung rund um Vampire und Werwölfe nicht einfach nur in die Vergangenheit, sondern reichert diese mit Steampunk-Elementen an. Da gibt es dampfbetriebene Sonnenschirme in den Einspännern, und es gleiten Zeppeline majestätisch durch die Lüfte. Noch aber bleiben diese Elemente im Hintergrund, konzentriert sich die Autorin darauf, ihren Lesern die Personen vorzustellen und das Rätsel um die verschwundenen Einzelgänger aufzulösen. Dabei wird viel über optische Eindrucke referiert – sei es die Gestalt der Personen, die Zimmereinrichtung oder die Kleidung, all dies nimmt einen breiten Raum ein.
Dennoch ist das Buch kein Roman, der sich ausschließlich an eine weibliche Leserschaft richtet. Neben all den detailreichen Beschreibungen der Roben zeichnet den Roman etwas aus, das den meisten der Konkurrenten abgeht – Humor! Die Zeichnung ihrer Hauptperson als emanzipierte, aufgeschlossene und lebenslustige Frau in einem verknöcherten London der damaligen Zeit bietet der Autorin willkommene Steilvorlagen, um mit der bornierten Umwelt, den Vorurteilen und Angepasstheiten der Zeit abzurechnen. Geschickt bringt sie uns dabei ihre Protagonistin näher, wächst diese uns in ihrer dickköpfigen, gleichwohl sympathischen Art und Weise ans Herz.
Das hat Pepp, liest sich amüsant und abwechslungsreich und bietet zudem eine Einsicht in überkommene Vorurteile und Rollenklischees, die auch heute immer noch in so manchen Mannes Kopf herumspuken.