Marcel Richtsteiger: Todesmarsch nach Jerusalem (Buch)

Marcel Richtsteiger
Todesmarsch nach Jerusalem
2025, Paperback, 484 Seiten, 19,99 EUR

Rezension von Christel Scheja

Marcel Richtsteiger liebt es, in seinen Geschichten von starken Emotionen zu erzählen, bleibt dabei aber der Realität und echten Menschen sehr nahe. „Todesmarsch nach Jerusalem“ ist sogar persönlich, erzählt er doch in einer Handlung des Buchs von einem seiner eigenen Vorfahren.


Maya kommt aus Israel zu ihrem Vater nach Leipzig, um Abstand von traumatischen Erlebnissen zu gewinnen. Sie besucht dort ein Gymnasium und lernt schnell Leon kennen und schätzen, der für seine Überzeugungen einsteht, auch wenn die sich nicht immer mit ihren decken. Aber es scheint etwas an ihm zu sein, was ihre Wunden heilen könnte.

Leon selbst versucht der Jüdin zu helfen, wo er kann. Und deshalb erzählt er ihr auch von Otto, einem eigenen Vorfahren, der als überzeugter Kommunist so Einiges in im Dritten Reich durchmachen musste, einschließlich eines Todesmarsches zum Ende des Krieges hin.


Und genau dieser Otto ist auch ein Vorfahr des Autors. Aufgrund intensiver Recherchen ist er deshalb wohl auch auf die Idee gekommen, nicht nur von diesem zu erzählen, sondern auch mit aktuellen Ereignissen in Verbindung zu bringen, die erst einmal nichts damit zu tun zu haben scheinen.

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis erhitzt die Gemüter und spaltet Meinungen, so dass gerade in Deutschland nicht immer klar ist, mit wem man eigentlich fühlen soll. Denn eigentlich ist auch die Terror-Organisation Hamas palästinensisch. Und wenn man gegen die Israelis wettert, kann man schnell in Verdacht geraten, antisemitisch zu sein.

Der Autor versucht deshalb auch einen Mittelweg zu gehen und viele Facetten zu zeigen, wie sich im Verlauf des Buchs immer wieder zeigt. Denn Terror und Krieg tragen lange nicht alle Menschen in Nahost mit, einige bemühen sich sogar um ein friedliches Miteinander, während andere keine Scheu haben, zu Tätern zu werden. Und nicht zuletzt haben die Mächtigen beider Seiten Dreck am Stecken.

Der Blick in die Vergangenheit enthüllt nicht nur die perfide Grausamkeit des Dritten Reiches, sondern macht auch deutlich, dass Hass und Wut, Vergeltung und Rache eigentlich vor allem das eigene Leben zerstören.

Höchst eindringlich beschreibt der Autor jedenfalls, wie autoritäre Systeme diejenigen unterdrücken, die anderer Meinung sind oder zu störenden Randgruppen gehören - ein genauso aktuelles Thema wie der Konflikt im Gaza-Streifen, auch wenn die Moderne noch nicht ganz so weit ist wie die Nazis.

Das Buch wendet sich an ältere Jugendliche, kann aber auch für erwachsene Leser sehr spannend sein, weil sie nicht nur etwas mehr über die dunklen Seiten der Vergangenheit erfahren, sondern auch daran erinnert werden, dass der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern um einiges vielschichtiger ist und dabei vor allem die Unschuldigen leiden - und wie leicht genau diejenigen, die sich eigentlich um Frieden und freundschaftliches Zusammenleben bemühen, zu Zielscheiben der Kriegstreiber werden.

Dabei bleibt der Autor bewusst an den Menschen und konzentriert sich auf nahbare Einzelschicksale, die mit positivem Beispiel vorangehen und so Hoffnung machen, dass nicht Hass die allseligmachende Lösung ist.

Die Schilderungen wirken jedenfalls noch lange nach und regen zum Nachdenken an, wissen tief zu berühren. Der Schreibstil ist nicht nur emotional glaubwürdig, sondern auch sehr atmosphärisch, so dass das Buch von Anfang bis Ende spannend bleibt. Zudem kommen auch die Figuren nicht zu kurz. Maya, Leon, ihre Familien und Freunde werden zu Botschaftern, wie man sie auch jederzeit auf der Straße kennenlernen könnte.

„Todesmarsch nach Jerusalem“ erinnert nicht nur an die Grausamkeiten der NS-Zeit und wie Menschen damit umgegangen sind, sondern berührt auch durch seine facettenreiche Darstellung des aktuellen Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Das Buch geht deshalb unter die Haut und regt zum Nachdenken an, ist ein Young-Adult-Roman, der mehr als nur eine simple Liebesgeschichte bietet, ja sogar interessant sein könnte, um politische Bildung zu vertiefen.