Darren Shan: Die Jagd – Dämonicon 2 (Buch)

Darren Shan
Die Jagd
Dämonicon 2
(Slawter + Bec)
(Beinhaltet die Romane „Dämonenspiel“ sowie „Blutige Nächte“)
Aus dem irischen Englisch übersetzt von Sabine Reinhardus
Titelillustration von Chris McGrath
Pan, 2011, Taschenbuch, 502 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-426-28355-4

Von Carsten Kuhr

Nach dem im ersten Band der Reihe geschilderten Kampf Grubbs gegen Lord Loss um die Heilung seines Bruders vor dem Werwolf-Virus haben sich unsere beiden Helden, Grubbs und sein etwas exzentrischer Onkel etwas zurückgezogen. Dervish muss nach wie vor seinen Kampf im Dämonicon gegen den Dämonenfürsten verarbeiten, Grubbs kümmert sich um seinen Onkel und tut das, was andere Jungen in seinem Alter auch tun. Schule, Kino, Mädchen – letzteres noch zumindest eher auf Distanz, aber die Pubertät naht und ein ereignisloser Sommer droht. Doch dann kommt es wie meist anders als gedacht.

David A. Haym, die berühmte Filmproduzentin, will ihr Meisterwerk drehen. Natürlich soll es ein Horror-Streifen werden, nein nicht ein, sondern der Horrorstreifen schlechthin. Und die Produzentin hat sich die Mitarbeit der Besten der Besten gesichert. Namhafte Schauspieler, beste Kameraleute, eine ganze verlassene Stadt dient als Kulisse und die Monster sollen möglichst real sein. Da kann nur einer helfen – der Fachmann für das Übernatürliche par excellence – Onkel Dervish natürlich. Mit guten Worten, viel Geld und dem Angebot, dass Grubbs und sein Bruder mitkommen dürfen, lockt die Filmbesessene unser Trio in ihre Produktionshallen. Und dort treffen sie, wie kann es auch anders sein, nicht nur auf Gummimonster sondern auf einen perfiden Plan des Dämonicums und einen alten, gefürchteten Bekannten...





Im zweiten Roman des Buches führt Shan uns in eine Welt, die an das untergegangene Piktenreich erinnert. Die Zivilisation ist mit dem Christentum auf dem Vormarsch, die Herrschaft der Naturreligionen und der Druiden neigt sich ihrem Ende zu. Seit Jahren nun werden die einander misstrauisch beäugenden Stämme von Dämonenangriffen heimgesucht und dezimiert. Viele Stammessitze sind schon verwaist, die Bewohner zu Untoten gewandelt. Sobald die Dunkelheit hereinbricht geht der Schrecken um. 

Auch die zauberkundige Priesterin Bec, die als Waisenmädchen zum Clan stieß, wird von den Fomorii gejagt und bedrängt. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Kämpfern zieht sie aus, einem der letzten Druiden bei der Vernichtung des Tunnels zur Anderwelt der Dämonen zu helfen – und trifft auf den Dämonenmeister Lord Loss...

Darren Shans Romane richten sich in erster Linie an jugendliche Leser. Temporeich berichtet er aus Sicht seiner Ich-Erzähler, vorliegend Grubbs, von dessen phantastischen Erlebnissen. Dabei trifft er den jugendlichen Jargon sehr gut, und lässt immer wieder Probleme, die pubertierende Jugendliche beschäftigen, einfließen. Auffallend war für mich, dass er gerade bei der Zielgruppe doch die Gewaltdarstellungen sehr deutlich ausführt. Da werden Gliedmaßen abgerissen, es rollen im wahrsten Sinne des Wortes Köpfe, selbst Kinder werden ermordet. Das ist schon ziemlich starker Tobak, wenngleich die Gewalt nie als Selbstzweck geschildert wird. Grubbs selbst wird als typischer Junge vorgestellt. Er schneidet gerne auf, ist aber innerlich unsicher und handelt auch entsprechend. Er fürchtet sich, will eigentlich keine aktive Rolle im Kampf gegen die Dämonen einnehmen. Das macht ihn sympathisch, macht seine Handlungen nachvollziehbar. Gerade weil er Angst hat, sind seine Agitationen im Kampf gegen Lord Loss dann umso mutiger. Das ist kein Held aus den Sagen, das ist ein Junge, der sich mühsam aufrafft seine Pflicht, wie er sie sieht, zu erfüllen. 



Das Buch besticht insbesondere durch seinen sehr leicht und locker zu lesenden Stil. Die Seiten blättern sich fast wie selbst um, der Handlungsbogen ist straff strukturiert, die Geschichte interessant und der Protagonist sympathisch. Spannendes Lesefutter ohne großen Tiefgang für Strand und Ferien also.

Im zweiten Roman, der ungewohnt düster daherkommt, berichtet Shan uns dann von einer Welt, die im Bann der Dämonen stöhnt. Nacht für Nacht überfallen die untoten Horden die ständig weniger werdenden Menschensiedlungen, bringen Leid und Tot über ihre Opfer. In dieser Welt, die geprägt ist von einer straffen Stammeskultur und in der Ehre und Loyalität alles zählt, macht sich eine Gruppe selbstloser Helden auf, die Schleuse zur Welt der Dämonen zu schließen – auch wenn dies ihr eigenes Leben kostet. 

Wie immer zeigt uns Shan seine phantastische Welt durch die Augen seiner Protagonisten. Wir sehen ein urwüchsiges Land, in dem die weit verteilt lebenden Stämme sich in ihren Befestigungen verschanzt haben. Das Land selbst gehört der Natur und den Dämonen, Landwirtschaft ist weitgehend unbekannt, von der christlichen Maxime „macht euch das Land untertan“ ist noch wenig zu spüren. Das Waisenmädchen Bec hat ein hartes Los zu erdulden. Eigentlich möchte sie gerne mit dem Schied eine Familie gründen, dies würde aber ihre magischen Fähigkeiten, die sie als Priesterin benötigt, zum versiegen bringen. Als sie während ihrer Queste ihre eigentliche Heimat, den Clan ihrer Geburt findet, und erfährt, dass man ihre Mutter verstoßen hat, fällt sie weiter in ein dunkles Loch. Zwar weiß sie nun, wo sie herkommt, doch eben auch, dass ihr Clan sie ablehnt, ja sie töten wollte. Ungeliebt, verachtet und einsam findet sie dennoch den Mut, sich für das Wohl ihrer Mitmenschen zu opfern. Doch letztlich muss auch sie sich dem durchtriebenen Plan Lord Loss' geschlagen geben. 


Wie bei Darren Shan so üblich, wartet der Leser vergebens auf ein Happy End. Statt uns mit Hollywood-Klischees zu besänftigen, berichtet uns der Autor von der aufopfernden Mission seiner Helden, die obzwar sie wissen, dass sie dabei umkommen werden, im Dienst einer größeren Sache ihr Leben hergeben. Wer hier falsches Pathos erwartet, wer Gefühlsduseleien befürchtet, der sei beruhigt. Nüchtern, fast unterkühlt, berichtet uns der Autor vom Sieg des Dämonenmeisters und schafft so ein ungewohntes aber gerade deshalb interessantes Gegengewicht zu den sonst so vorhersehbaren Horror-Plots.