Miles Cameron: Deep Black (Buch)

Miles Cameron
Deep Black
Artifact Space 2
(Deep Black, 2024)
Übersetzung: Bernhard Kempen
Heyne, 2025, Paperback, 604 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Marca Nbaro hat eine aufregende Jugend hinter sich. Aus einer Patrizierfamilie stammend, wurde sie nach dem vermeintlichen Tod ihrer Eltern bei einem Piraten-Überfall ins Waisenhaus abgeschoben, erpresst, missbraucht und gedemütigt. Es gelang ihr, mit gefälschten Unterlagen als Fähnrich der Handelsmarine an Bord des Großraumschiffes „Athen“ unterzukommen. Hier findet sie erstmals in ihrem Leben Freunde und Menschen, die sie fördern.

Schon bald wird ihr Potenzial deutlich: Sie ist eine begnadete Pilotin, eine hervorragende Kämpferin und eine geborene Anführerin.

Ihr ist es zu verdanken, dass Verräter an Bord aufgedeckt werden, dass der Handel mit dem für die Zivilisation unabdingbaren Xenoglas floriert und erste Gefechte mit Verrätern wie auch mit Aliens überstanden werden. Mehr noch: Sie nimmt einen Alien gefangen und bereitet den Boden für Verhandlungen - nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei Fremdrassen.

Dumm nur, dass die Menschen scheinbar immer noch nichts gelernt haben - droht doch ein bewaffneter Konflikt zwischen den menschlichen Kolonien, in den sich gleich zwei Fremdrassen einmischen…


Was sich zunächst als eine der vielen Military-SF-Reihen anbietet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als veritable Space Opera – und das als eine wirklich packende Erzählung.

Im Mittelpunkt hat der Verfasser eine junge Frau gestellt. Dirk van den Boom hat sie in seiner bekannt kauzigen Art als Mary Sue bezeichnet - und hat damit, zumindest auf den ersten Blick, nicht unrecht. Marca hat es wahrlich nicht leicht; umso zufriedener sind wir Lesenden damit, dass sie ihren Weg geht und Karriere macht.

Allerdings ist Marca keineswegs ein Kam-sah-und-siegte-Typ. Sie hinterfragt sich oftmals mehr, als für sie gut ist, zweifelt an sich, ist unsicher - und wächst, nachvollziehbar und glaubwürdig, an ihren Aufgaben. Und, um auf die Mary-Sue-Aussage zurückzukommen, im Verlauf der Handlung muss sie schwere Verluste im engsten sozialen Umfeld verkraften. Ja, sie selbst kommt wundersamerweise ohne große Blessuren aus den Fährnissen, doch rund um sie herum schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Ergo so ganz den easy Way geht sie nicht wirklich.

Dazu gesellen sich Weltraumgefechte - doch stehen diese nicht im Zentrum der Handlung und werden auch nie sonderlich ausführlich beschrieben. Vielmehr geht es Cameron darum, seine Heldin eine Lösung aus dem Konflikt suchen und finden zu lassen, die Fremdwesen zu verstehen und mit diesen zu kommunizieren, um so zu einem gedeihlichen Miteinander zu gelangen. Demzufolge nehmen die Kampfbeschreibungen wenig Raum ein, während die Begegnungen mit den Aliens und die Schwierigkeiten, hier zu einer Verständigung zu kommen, den Plot dominieren.

Das heißt nicht, dass es langweilig zuginge. Ganz im Gegenteil verfolgen wir gebannt mit, wie Marca ihren Weg sucht und diesen - unter persönlichen Opfern und Risiken - geht. Als ehemaliger Berufsoffizier der Navy weiß Cameron, wie die Befehlshierarchie an Bord aussieht, und lässt unsere Erzählerin langsam und mühevoll, dafür aber verdient und glaubwürdig, die Leiter des Erfolgs erklimmen.

Die im Hintergrund ablaufende Beziehung zu einem fast autistisch zu nennenden Wissenschaftler bringt ein klein wenig Romantik ins Buch, der Fokus liegt aber klar auf den Begegnungen mit den Aliens und dem Versuch, das drohende Unheil aufzuhalten.

Cameron integriert dabei auf wunderbar unauffällige, unaufgeregte Art und Weise Themen wie Inklusion und Diversität - sodass es eine wahre Freude ist, die erneut herrlich gelungene Übersetzung von Bernhard Kempen zu lesen.

Der Autor konzentriert sich weiterhin darauf, uns über seine wenigen, dafür sehr vielschichtig gezeichneten Figuren seine Welt zu zeigen. Das ist weit entfernt von den sonstigen Military-SF-Reihen, erinnert an moderne Space Operas wie „The Expanse“ und zeigt uns stattdessen Schicksale und Menschen, die sich ändern, die sich weiterentwickeln.

Das ist spannend, in seinen Details ebenso interessant wie in sich überzeugend, mitreißend - und eine hervorragend lesbare Unterhaltung.

Im Original ist bislang noch ein schmaler Band mit Novellen aus der Welt der „Artifact Space“-Saga unter dem Titel „Beyond the Fringe“ erschienen, ein dritter Roman um Marca liegt bislang leider noch nicht vor.