Jens Polt: Versautes Eheleben (Buch)

Jens Polt
Versautes Eheleben
Blue Panther Books, 2023, Taschenbuch, 212 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Mike und Martina sind schon viele Jahre verheiratet, doch seit sie einmal von ihrer Tochter erwischt wurden, läuft im Bett nichts mehr, woran auch Marisas Auszug Jahre später nichts ändert. Um die eingeschlafene Beziehung zu beleben, zerbricht sich Mike lange den Kopf, bis er eine Idee hat - und diese scheint besser zu funktionieren als erwartet.

Dann jedoch fährt Martina übers Wochenende nach Berlin, um Marisas neuen Freund in Augenschein zu nehmen, blitzt jedoch bei ihrer Tochter ab. Der Zufall will es, dass Martina in einem etwas sonderbaren, von Marisa empfohlenen Lokal ausgerechnet ihrer ersten Liebe Nadine - inzwischen Madame Claire - begegnet, die den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, nachdem Martina und Mike ein Paar wurden.

Wieder zu Hause entwickelt Martina immer extremere sexuelle Bedürfnisse, und Mike sieht seine Vermutung, dass in Berlin etwas vorgefallen sein muss, bestätigt, als Madame Claire bei ihnen auftaucht und gegenüber beiden auf die Erfüllung eines Knebelvertrags besteht. Schon wegen der hohen Strafe, die anderenfalls droht, haben sie keine Wahl und verstricken sich immer tiefer im ekstatischen Netz aus Unterwerfung und wildesten Sexspielen.

Trotzdem Mike begreift, dass sie dabei sind, ihre Ehe zu zerstören, ist er hilflos. Ihm bleibt lediglich das Vertrauen in Martina und die Hoffnung, dass auch ihr die gemeinsamen Jahre und die Liebe zueinander wichtiger sind als die Sucht nach immer ausgefalleneren Sex-Praktiken. Allerdings muss erst noch etwas passieren, das Martina so tief erschüttert, dass Madame Claires Macht über sie bricht.


Über Jens Polt erfährt man, dass er wohl schon „etwas älter“ ist, mit seiner Familie in der Nähe von Wien lebt und relativ spät seine Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte. Statt Heile-Welt-Geschichten verfasst er bevorzugt Erzählungen, in denen dem Publikum ein Blick auf die dunklen Seiten seiner Akteure gewährt wird, was der vorliegende Roman „Versautes Eheleben“ bestätigt.

Schon früh ahnt die erfahrene Leserschaft, worauf es hinauslaufen wird: „Die Geister, die ich rief…“ (aus Goethe: „Der Zauberlehrling“) bringt die Handlung im Großen und Ganzen auf den Punkt. Eigentlich will Mike nur, dass es zwischen ihm und Martina wieder wird, wie früher, dass sie zusammen Spaß am Sex haben. Doch kaum wurde der Geist aus der Flasche befreit (Motiv aus unter anderem den „Erzählungen aus tausendundeiner Nacht“), ist es fast unmöglich, ihn wieder hineinzubefördern. Martina kommt auf den Geschmack, verlangt nach immer heftigeren Spielen, und Madame Claire, die eigene Ziele verfolgt, nutzt ihre Chance und zieht skrupellos an den Strippen.

Jens Polt gelingt es hervorragend, die Spirale abwärts des Paares in die Anhängigkeit zu beschreiben. Zunächst sind es erregende Spiele miteinander, dann kommen heftige Flirts zum Appetitholen hinzu, schließlich nehmen sie an immer extremeren Sessions mit und unter Leitung von Madame Claire teil, wobei deren Einfluss stetig zunimmt. Martina wird ihr durch die Erinnerungen an früher und die Sexsucht schnell hörig, aber auch Mike, der gefühlsmäßig nicht belastet ist, kann sich den Manipulationen der Domina kaum entziehen.

Mehr möchte man nicht verraten, um die Auflösung, für welche der Grundstein früh und nebenbei gelegt wurde, nicht vorwegzunehmen. Es gibt einen späten Wendepunkt, aber nicht jeder kann/will „gerettet“, die Zeit nicht zurückgedreht werden.

Obschon der Verlauf der Ereignisse an sich keine Überraschung ist, verfolgt man doch fasziniert diese Eskalation, hofft und leidet mit den Protagonisten, die hin und wieder einen klaren Moment haben, doch zu schwach sind, um aus dem Gespinst der Lüste auszubrechen. Das Ende ist in sich schlüssig und enttäuscht nicht.

Ob man Spaß an den geschilderten Praktiken hat, steht auf einem anderen Blatt, doch sollte jeder wissen, worauf er sich einlässt, wenn das Buch auf dem Cover als „Erotischer SM-Roman“ bezeichnet wird. Auf jeden Fall bietet der Titel nicht allein grafische Beschreibungen, sondern auch eine nachvollziehbare Handlung, Charakter-Entwicklung und jede Menge Drama, wodurch sich „Versautes Eheleben“ trotz vorhersehbaren Verlaufs als spannende Lektüre mit immer neuen Steigerungen erweist.

Infolgedessen empfiehlt man den Titel gern einer Leserschaft, die mehr wünscht als nur eine Aneinanderreihung von immer extremeren Sessions.