Chelsea Abdullah: Der Sternenstaubdieb (Buch)

Chelsea Abdullah
Der Sternenstaubdieb
(The Stardust Thief, 2022)
Übersetzung: Urban Hofstetter
Titelbild: Mike Heath
Hobbit Presse, 2025, Hardcover, 572 Seiten 26,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie kennen natürlich die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Erzählungen, die seit Generationen an Lagerfeuern, in Oasen oder heimischen Stuben, die Menschen in ihren Bann ziehen. Hier erwartet uns eine ganz andere fremde Welt voller Exotik, Flair und Geheimnisse.

Was aber braucht ein entsprechendes Werk? Nun, als gegeben ist da als erster Hauptdarsteller natürlich die Wüste: ein riesiges Meer aus Sand, über das sich ein unendlicher Himmel spannt. Dann, ebenfalls unabdingbar, sind die Dschinn - alte, zaubermächtige Wesen, die ihre eigene Kultur besitzen und ihre eigene Agenda verfolgen. Vierzig Räuber und befestigte Städte mit Sultanen und Reichtümern kommen auch ganz gut - und schon sind wir mittendrin im ersten Band einer Trilogie, dessen Teil 2 in den USA im Herbst 2025 erscheinen wird.

 

Um was aber geht es genau?

Wir lernen drei Protagonisten kennen. Da ist zunächst einmal Louie, die Mitternachtshändlerin. Als Waise muss sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Sie hat sich dank eines magischen Kompasses sowie der Hilfe eines Dschinns darauf spezialisiert, trotz Verbot des Sultans, magische Relikte der Dschinn aufzuspüren und gegen harte Goldmünzen an Interessenten zu veräußern. Und sie ist gut, nein, sehr gut in dem, was sie tut. So gut, dass der Sultan sie kurzerhand zwangsverpflichtet. Eine wirkliche Wahl hat sie nicht - es heißt: entweder Verlies oder den Auftrag des Herrschers annehmen.

So macht sie sich, begleitet von einem der Söhne des Sultans sowie der Diebin Aisha, auf, eine Lampe im ewigen Meer der Wüste zu suchen - darin einer der sieben Ifrit-Könige, mit dessen zwangsweiser Hilfe der Sultan alle Dschinn vernichten will.

Natürlich erweist sich die Suche als viel gefährlicher als erwartet, warten doch Ifrits, Ghule und Verräter auf sie…


In den letzten Jahren haben international wie auch aus heimischer Autorenstube die Plots, die in Arabien angesiedelt sind, deutlich zugenommen. Zu ausgelutscht scheinen die üblichen mittelalterlichen Questen zu sein, von den Dark-Academy-Romantasies und Harry-Potter-Klonen mal ganz zu schweigen. Insoweit ist der Wechsel des Handlungsortes zu einem anderen Kulturkreis nachvollziehbar und birgt jede Menge Möglichkeiten und Chancen.

Die in Kuwait geborene Autorin macht das im Auftakt einer projektierten Trilogie, von der bislang zwei Romane verfasst wurden, richtig gut. Wir haben alle gewohnten Ingredienzien, dazu interessante Abwandlungen vom üblichen Schema und die gerade für Arabien ungewohnte Sichtweise einer Frau auf das herrschende Patriarchat.

In einer vom Übersetzer sehr schön einfühlsam übertragenen Sprache lässt sie vor unserem inneren Auge die Pracht des Orients auferstehen. Dabei hat sie, die aus diesem Kulturkreis stammt, einen ganz anderen, intimeren Einblick in Denk- und Handelsweisen und kann uns diese weit besser und überzeugender vermitteln als viele Autoren, die sich erst in die Materie einlesen müssen.

Es gelingt ihr mühelos, die Pracht, den Reichtum und auch das große Wissen des Orients in ihren Plot einfließen zu lassen. Hier begegnet uns eine Welt, die weit mehr ist als nur Aladdin oder die Wunderlampe - wobei beides in dem Roman seinen Platz findet. Diese Bühne umfasst die ganz unterschiedlichen Überlieferungen und Lebensweisen der Beduinen ebenso wie die der Menschen in den prächtigen Städten und Oasen. Dabei lässt die Verfasserin durchaus auch den Widerspruch zwischen der überlieferten Stellung der Frau und dem Leben ihrer Haupterzählerin mit einfließen. Ebenso findet sie Platz für mehrere dezent angedeutete, tragische Liebesgeschichten, wobei diese sich klar der Erzählung unterordnen.

In erster Linie geht es der Autorin darum, uns eine faszinierende Abenteuer-Geschichte zu erzählen. Mit dieser hätte sie im Suq definitiv eine Menge Zuhörer um sich gesammelt, und der Beutel würde von Gold- und Silbermünzen überquellen.