S. A. Barnes: Ghost Station (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 13. Februar 2025 18:03

S. A. Barnes
Ghost Station
(Ghost Station, 2024)
Übersetzung: Michael Pfingstl
Heyne, 2025, Paperback, 462 Seiten, 16,00 EUR
Rezension von Gunther Barnewald
In der Zukunft kann man offensichtlich vermittels Raumschiffen mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Weltraum reisen und hat schon einige wenige Alien-Zivilisationen auf fremden Planeten entdeckt. Leider sind diese wenigen Rassen alle längst ausgestorben, so dass die Menschheit noch immer allein erscheint in einem eher feindseligen Universum voller unwirtlicher Welten. Eine zweite Idylle wie die frühere Erde hat man wohl noch nicht entdeckt.
Auch auf Lyria 393-C gab es dereinst eine technologisch wohl mittelmäßig weit fortgeschrittene Rasse, die aber durch einen Meteoriten-Einschlag völlig ausgelöscht worden zu sein scheint. Ihre Städte und Gebäude stehen aber teilweise noch.
Die Firma Pinacle der reichen Familie Bray hatte versucht, hier ein Forschungsteam zu etablieren, was jedoch offensichtlich gescheitert zu sein scheint. Deshalb verkaufte die Firma Pinacle ihre Forschungs- und Erschließungsrechte an den Konkurrenten Montrose, der ebenfalls ein Forschungsteam nach Lyria entsendet, welches die alte und scheinbar verlassene Forschungsstation der Vorgänger wieder in Betrieb nehmen soll.
Teil dieses Teams des Raumschiffs „Resilience“ ist auch die Psychotherapeutin Dr. Ophelia Bray, die zwar der Familie der reichen Brays von Pinacle entstammt, jedoch die uneheliche Tochter eines Familienmitglieds ist, die unter ihrem Stand geheiratet hatte. Der Ehemann, ein gewalttätiger Widerling, ist zudem als einer der blutigsten Amokläufer in die Geschichte der Menschheit eingegangen. Ophelia wäre beinahe eines seiner Opfer geworden. Aber auch mit den reichen und arroganten Brays verbindet sie kein positives Verhältnis.
Wenig verwunderlich also, dass sich die junge Frau auf die Erforschung und Behandlung einer Erkrankung spezialisiert hat, die oft Raumfahrer nach längerer psychischer Überlastung betrifft und bei diesen entweder zu Amokläufen oder Suiziden führt.
Auch auf dieser Mission soll Ophelia die Crew um Kommandant Ethan Severin überwachen und psychischen Erkrankungen vorbeugen, was von dem Team der „Resilience“ aber nicht besonders positiv aufgenommen wird. Als sich jedoch auf dem fremden Planeten die seltsamen Vorfälle häufen (erst entdeckt man verschüttete Leichen der Ureinwohner, dann sogar die erste Leiche eines Crew-Mitglieds der vorherigen Forschungsgruppe der Firma Pinacle, bevor auch ein Mitglied der eigenen Truppe unter grausigen Umständen sterben muss), merkt auch Dr. Bray, dass sie mit ihrem Wissen an Grenzen stößt, während sich die tödliche Bedrohung um alle herum immer mehr zusammenzieht...
Nach einem etwas lauen Einstieg, gelingt es der Autorin erst langsam, aber dann immer mächtiger, die Spannungsschraube der Geschichte anzuziehen. Die düster-bedrohliche Atmosphäre wird immer bedrückender, die Ereignisse beginnen zu eskalieren und, wie in einem guten Kriminalroman, kommt die Protagonistin Stück für Stück hinter die Geheimnisse der fremden Welt.
Dass dabei kaum ein gutes Haar an der turbokapitalistischen Ausbeutungspolitik großer und mächtiger Konzerne gelassen wird, verwundert dabei kaum und passt auch zum aktuellen Zeitgeist („Die da oben“, „Die Eliten“).
Überhaupt ist das hier beschriebene lebensfeindliche Universum kein Ort, an dem man sich als Lesender wirklich „wohl“ fühlen könnte (Sujet und Handlung sind alles andere als „cosy“). Es sei denn, man liebt Spannung, einen guten Plot und gruselige Atmosphäre. Und all dies gelingt der Autorin im vorliegenden Buch wirklich meisterhaft.
Die leicht derangierten und psychisch beschädigten Handelnden (so richtig stabil und ausgeglichen ist hier keiner) sind dabei ebenso realitätsnah wie phasenweise sympathisch und unsympathisch, wobei sich die Autorin schon sehr einseitig auf nur wenige Menschen konzentriert. Hier wäre sicherlich mehr machbar gewesen, die anderen Crew-Mitglieder außer Dr. Bray und dem Kommandanten bleiben leider eher blass.
Die krassen Erlebnisse und Traumata der Protagonistin mit ihrem psychopathischen Vater verstellen dabei manchmal etwas den Blick auf die aktuellen Gefahren für die Crew. Hier trägt die Autorin vielleicht etwas zu dick auf, Klischees werden nicht unbedingt vermieden. Mehr Konzentration auf die wirklich spannende Geschichte wäre hier ein mehr an literarischer Qualität gewesen.
Trotzdem ist „Ghost Station“ ein empfehlenswerter SF-Grusel-Roman für alle, die packende Geschichten mit herrlich düsterer Atmosphäre mögen. Ein Roman, der durchaus eine Fortsetzung vertragen könnte, denn die Entdeckung der Crew auf Lyria bieten schlussendlich wahrlich interessanten Stoff für mindestens eine weiter Erzählung aus diesem erschreckenden Universum.