Vanessa Len: Never a Hero - Die Dynastie der Zeitreisenden 2 (Buch)

Vanessa Len
Never a Hero
Die Dynastie der Zeitreisenden 2
(Never a Hero, 2023)
Übersetzung: Bettina Ain
Piper, 2024, Paperback, 490 Seiten, 17,00 EUR

Rezension von Gunther Barnewald

Zuerst einmal ein Lob für den tollen, außergewöhnlichen Buchumschlag, der in ganz vielen wunderbaren Grüntönen schillert.


Hier noch einmal kurz ein Anriss der Geschichte von Teil 1, „Only a Monster“: Die junge Joan Hunt lebt mit ihrer etwas exzentrischen Familie in London. Was die Pubertierende nicht ahnt: Ihre Familie gebietet über ungewöhnliche Kräfte, denn sie können von anderen Menschen Lebenszeit stehlen und damit in der Zeit reisen. Nur nicht in die Zeit, in der sie schon existieren.

Zum Glück ist die Zeitlinie gegen Veränderungen relativ resistent und neigt immer wieder dazu, in ihren natürlichen Verlauf zurückzukehren.

Eines Tages muss Joan erkennen, dass sie ebenfalls zu jenen „Zeiträubern“ gehört, also vermeintlich gar keine „Gute“ beziehungsweise „Heldin“ ist, sondern somit zu den „Bösen“, also den „Monstern“ gehört, denn die „gestohlene Lebenszeit“ fehlt den bestohlenen Menschen am Ende ihres Lebens.

Aber es kommt noch schlimmer für die junge Frau: Der junge Mann, in den sie sich verleibt hat, ist ein durchtrainierter, sehr fähiger Monsterjäger, der mit ihrer Familie und einer anderen übersinnlich begabten Familie kurzen Prozess macht. Da er in Joan verliebt ist, verschont er diese und lässt sie entkommen.

Kann Joan doch noch mit Hilfe ihrer mehr oder weniger willigen Helfer die Zeitlinie manipulieren und so ihre Familie retten? Oder ist dies unmöglich und sie verliert ihr Leben ebenfalls an den Jäger?


Nachdem es Joan gelungen ist, die Zeitlinie wider Erwarten komplett zurückzusetzen und diese sich auch nicht regeneriert hat, glaubt Joan, dass nun alle Probleme gelöst sind. So beginnt jedenfalls der vorliegende zweite Band.

Ganz schnell und rüde wird sie jedoch aus dieser schönen Vorstellung gerissen, als eine Freundin getötet wird und sie merkt, dass ihre Korrekturen zu einer Zukunft führen, in der die Menschen von den Monstern gnadenlos ausgebeutet, drangsaliert und getötet werden. Eine üble, menschenrechtsverachtende Diktatur bahnt sich an.

Dies hatte Joan nie gewollt und so stemmt sie sich mit aller Macht gegen diese Entwicklung, nur um fassungslos miterleben zu müssen, dass sie diesmal, obwohl alle Freunde sie unterstützen, völlig hilflos zu sein scheint. Das Desaster nimmt seinen verhängnisvollen Lauf...


…leider erst auf den letzten 200 Seiten so richtig, denn diesmal ist der Autorin die Geschichte eindeutig etwas zu seitenstark geraten. 50 bis 60 Seiten weniger wären optimal gewesen. Vor allem das Ende des ersten Drittels lahmt erheblich. Auch die Weiterentwicklung der interessanten und manchmal sogar kantigen Charaktere gelingt der Autorin diesmal nicht so recht. Die Handlung tritt zu Beginn der Geschichte ebenfalls auf der Stelle.

Atmosphärisch wie stilistisch ist jedoch auch dieses Buch wieder hervorragend (inklusive sehr guter Übersetzung), die Autorin erzählt erneut visuell überzeugend und, nach Schwierigkeiten zu Beginn, groovt sich auch der Spannungsbogen (und damit die Autorin) immer mehr und mehr ein.

Gegen Ende ist die Geschichte packend, rasant und voller Verve, auch wenn die Erzählung immer mehr in die Fantasy abgleitet und damit den Boden des Möglichen immer weiter hinter sich lässt.

Wer „Only a Monster“ mochte, dem wird auch diese Fortsetzung gefallen. Und da die Autorin hier am Ende zum Äußersten schreitet, wird auch ein dritter Teil unumgänglich sein, auf den man sich dann wieder freuen darf.