Tahereh Mafi: This Woven Kingdom (Buch)

Tahereh Mafi
This Woven Kingdom
(This Woven Kingdom, 2022)
Übersetzung: Barbara Irmgrund
cbj, 2024, Hardcover, 540 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Man nehme ein junges, verwaistes Mädchen aus adeligem Hause, die gezwungen ist, unter unmenschlichen Umständen ihr karges Dasein als ausgenützte Putzmagd und Näherin zu fristen. Dazu kommt eine finstere - so wie in „Untergang des Reiches“ - Prophezeiung, ein charismatischer Prinz, eine schicksalhafte Begegnung und eine Liebe, die nicht sein darf - fertig.

Erinnert Sie das an irgendetwas? Ja, Cinderella alias Aschenputtel stand bei der Anlage des Plots unweigerlich Pate. Allerdings wandelt die Verfasserin den alten Märchenstoff, der erstmals aus dem neapolitanischen Sprachraum zu uns fand, dann doch ganz eigen ab.

Alizeh ist nämlich eine Dschinn. Nun herrscht seit Jahrzehnten ein brüchiger Frieden im Königreich, in dem Not herrscht. Der amtierende König hat, um der Prophezeiung des Untergangs entgegenzuwirken, Frieden mit den Dschinn geschlossen. Schutz vor Verfolgung und Sicherheit dafür, dass sie all ihrer Gaben entsagen; arbeiten dürfen sie mit ihren immensen Kräften natürlich trotzdem und ausgenützt und verunglimpft werden sie auch. Dass dem Reich langsam, aber sicher das Wasser ausgeht, dass ein Konflikt mit den Nachbarreich droht, kommt erschwerend hinzu.

Die gefürchtete Prophezeiung spricht von einem Wesen, mit Eis statt Blut - etwas, das bei Dschinn adeliger Herkunft sehr, sehr selten, aber doch ab und an auftritt. Alizeh hat dieses Merkmal, der König will sie deshalb, einmal enttarnt, dem Friedensvertrag zum Trotz, wie ihre Eltern und ein jeder, der sie als Kind gekannt hat, meucheln lassen.

Dumm, dass ausgerechnet sein Enkel, der Kronprinz, auf das geschundene Mädchen stößt und sich Hals über Kopf in diese verliebt. Sein aufbrausendes Wesen, seine innere Unzufriedenheit, seine Gewaltbereitschaft kann er - auch gegenüber dem Herrscher - kaum zügeln, soll er doch tatenlos zusehen, wie Alizeh gefangengenommen werden soll, während er sich, unter den Noblen des Reiches, eine Gattin aussuchen darf - die Thronfolge muss gesichert werden. Dass dann noch ein weiteres mächtiges Wesen - der Teufel höchstselbst - mitmischt, macht die Melange dann mal so richtig interessant….


Der Roman vereint zwischen seinen Deckeln zwei große Stärken. Da ist zum einen die archaische Kulisse, die wir unschwer als vertrautes Element wahrnehmen. Um hier nicht zu sehr auf Klischees zurückzugreifen, hat die Autorin sich bemüht, mit den Dschinn, den Leuchtwürmchen als tierische Mitstreiter derselben und der problematischen Grundwasserversorgung, eigene, ungewöhnliche und frische Elemente beizufügen.

Hinzu kommen die Charaktere: unsere Aizeh, die zwar intelligent ist, aber eben auch - nachvollziehbar bei der persönlichen Historie - unsicher; ein Wesen, das sofort unser Mitleid weckt. Anders Prinz Kamran: sein aufbrausendes Wesen, seine Unbeherrschtheit machen ihn zu Beginn nicht eben zum Publikumsliebling. Aus diesen soll nun ein sich glaubhaft liebendes Paar werden; eine schwierige Aufgabe, wie man sich vorstellen kann. Dann mischt sich auch noch - bislang recht dezent - der Teufel ein… Cliffhanger und warten auf die Fortsetzung ist angesagt.

Mit inkludiert hat Mafi dabei wichtige Themen wie Diskriminierung, Ausgrenzung von Minderheiten, Ausbeutung der Armen und Herrschsucht der Mächtigen. Das sind ernste, das sind wichtige Themen, die sie hier en passent einfließen lässt.

So erwartet uns eine moderne Märchen-Adaption, die durchaus auf eigenen Beinen stehen kann. Sie verbindet die klassischen Themen mit ungewöhnlichen Einflüssen aus der persischen Mythologie, ist einmal kein reines Romance-Buch und wartet äußerlich mit Rundum-Farbschnitt auf.