Terry Pratchett: Der Club der unsichtbaren Gelehrten (Buch)

Terry Pratchett
Der Club der unsichtbaren Gelehrten
Scheibenwelt 32
(Unseen Academicals)
Aus dem Englischen übersetzt von Gerald Jung
Umschlagillustration von Tom Steyer
Manhattan, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 508 Seiten, 17,99 EUR, ISBN 978-3-442-54673-2

Von Birgit Scherpe

Schwere Zeiten brechen für die Zauberer der Unsichtbaren Universität an. Denn laut eines alten Vertrags müssen sie alle 20 Jahre an einem Fußballspiel (auch als „Tritt den Ball“ oder „Armer Leit‘ Vergniegen“ bezeichnet) teilnehmen, um nicht den üppigen Geldfluss eines alten Nachlasses zu stoppen, der den Großteil der Einnahmen der Universität darstellt und ihnen ihren opulenten Lebensstil ermöglicht. Keine leichte Entscheidung, zumal das Spiel aufgrund seines hohen Gewaltpotentials durchaus schon das eine oder andere Opfer gefordert hat.

Doch für ein gutes Essen tun die Zauberer bekanntermaßen fast alles, und so finden sich „11 Freunde“ zusammen, um den guten Ruf und das Essensbudget der Unsichtbaren Universität zu verteidigen. Bewaffnet mit einem ganz neuartigen Ball, einer Reihe auf mysteriöse Weise aufgetauchten alt-neuen Spielregeln und einem Erlass Lord Vetinaris, versuchen sie, das alte Fußballspiel von Grund auf zu verändern. Aber so leicht lassen die Fans es nicht zu, dass ein paar Oberschichtler sich an ‚ihrem Spiel‘ zu schaffen machen, und nach und nach begreifen die Zauberer, wie viel von ihrem ersten Match tatsächlich abhängen wird.

Während die Zauberer notgedrungen ihre Fußballleidenschaft entdecken, erhält auch ein weiterer Mitarbeiter der Universität eine Einführung in das „Armer Leit‘ Vergniegen“: Nutt, der neue Kerzentropfer, ein Goblin, der von seinem Chef Trevor Likely in die tieferen Geheimnisse des Fußball-Fandoms eingeweiht wird. Nutt ist auf den ersten Blick ein etwas kauziger, aber dennoch harmloser Geselle. Doch warum haben die Igors und die Zauberer solche Angst vor ihm?

Rein optisch kommt der neue „Scheibenwelt“-Roman Terry Pratchetts leider erst einmal ziemlich langweilig daher. Anstelle eines vernünftig gebundenen Buches, entsprechend der bisherigen Bände, erhält man dieses Mal lediglich ein Paperback, dessen unglaublich einfallsloses Cover wie ein vom Praktikanten designtes Provisorium wirkt. Aber zum Glück kommt es bei einem Buch ja nicht auf den Einband sondern auf den Inhalt an, und der kann sich, typisch Pratchett, wieder sehr gut sehen beziehungsweise lesen lassen.

Auch wenn die Mischung Fußball und Fantasy zunächst recht abwegig wirkt, schafft es der Altmeister der humorvollen Fantasy so spielend, die beiden Themen in seinem neuesten Roman zu verbinden, dass man sich am Ende fragt, wie man sich die Gassen Ankh Morpocks jemals ohne rüpelhafte Fußballfans vorstellen konnte. Doch nicht nur der Handlungsstrang um der „Armen Leit‘ Vergniegen“ macht eine Menge Spaß, sondern auch der Blick auf die ‚bürgerlichen‘ Mitarbeiter der Universität: die pragmatische Köchin Glenda, die im Laufe der Geschichte lernt, sich als Individuum zu behaupten, der kleine Kerzentropfer Nutt, der versucht zu sein wie alle anderen, oder Juliet und Trevor, die sich ineinander verlieben, obwohl sie Fans zweier gegensätzlicher Fußballclubs sind. Sie alle sind wieder wunderbare Persiflagen des wirklichen Lebens und machen den Roman mit seinen kleinen, oft garstigen Seitenhieben auf unsere moderne Welt sehr liebenswert und amüsant.

Zwischendurch schlägt Terry Pratchett jedoch auch ernsthafte, nachdenkliche Züge an: wenn Glenda endlich begreift, dass sie ihr Leben eigentlich immer nur nach den Erwartungen anderer lebt, oder wenn Nutt erkennt, dass ihn, egal wie viel Mühe er sich gibt, die meisten immer nur nach seiner Herkunft beurteilen werden. Dann wird einem sehr schnell wieder bewusst, dass die Romane Pratchetts nicht einfach nur ‚lustige Fantasy‘ sind, sondern uns, als ironisches und auch oft zynisches Abbild unserer eigenen Kultur, einen Spiegel vorhalten.

Ein Manko des Buches ist der etwas schnoddrig wirkende Übersetzungsstil von Gerald Jung, der den Text stellenweise ein wenig holprig macht, so dass man sich beim Lesen schnell den bisherigen Übersetzer Andreas Brandhorst zurückwünscht, der mit seiner Art doch recht maßgeblich das Bild des deutschen Lesers von Pratchetts Schreibtstil geprägt hat.

Dennoch: „Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ ist ein typischer Pratchett und macht eine Menge Spaß. Also nicht vom Thema Fußball abschrecken lassen, sondern einfach lesen und lachen!