Laura Wohnlich: Strom (Buch)

Laura Wohnlich
Strom
Edition Königstuhl, 2023, Hardcover, 300 Seiten, 25,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Laura Wohnlich hat bereits zwei Romane bei größeren Verlagen veröffentlicht, „Sweet Rotation“ 2017 bei Piper und „Mookie - Weihnachten mit Schwein“ 2020 bei Heyne. Nun legt sie mit „Strom“ bei der Edition Königstuhl ein weiteres Werk nach, in dem sie wieder einmal zeigt, dass sie gerne kontroverse Themen mit aktuellem Bezug aufgreift.


In der heutigen Zeit gibt es Influencer wie Sand am Meer, die schneller kommen und gehen als man denkt. Deshalb braucht es heute schon Einiges, um wirklich aufzufallen und schnell eine große Gemeinschaft von Followern zu sammeln, vor allem wenn man normalerweise eine absolute Null ist. Genau das denkt sich auch Hector Fober, der sein bisheriges Leben leid ist und nicht mehr nur unsichtbar sein möchte. Daher kommt er auf eine verrückte Idee, die alle Grenzen überschreiten wird, ihn aber mit Begeisterung erfüllt. Er beschließt einen Blog zu schaffen, in dem es um Morde geht - Morde, die er selbst vor laufender Kamera begehen will.

 

Noch mag die Idee in dieser Form Fiktion sein, aber wenn man sich die sozialen Netzwerke und Plattformen so anschaut - abwegig ist sie heute nicht mehr. Denn es gibt viele, die für Likes und Follower bereits über die Grenzen des guten Geschmacks gehen und mit Gewalt und Grausamkeit bereits Straftaten begehen, egal ob gegen Mitmenschen oder auch hilflose Tiere. Die Autorin versetzt sich dabei bewusst in ihre Figur und nicht die des entsetzten Umfelds, zeigt, wie bei Hector nach und nach die Hemmungen fallen, er aber trotzdem weiterhin vorsichtig bleibt und gezielt plant.

Es mag makaber wirken, mitzuerleben, wie er kaltschnäuzig aber wohlüberlegt einen Mord plant und dann auch ausführt, manchmal überraschend Gnade zeigt und dann wieder übel zuschlägt. Immerhin ist es erstaunlich, dass er lange so weitermachen kann, bis man ihn dann doch erwischt.

Das Ganze liest sich mit einem gewissen Kribbeln, gespannt verfolgt man als Leser mit, welche Empfindungen er vor und bei den Morden hat, wie sehr er nach und nach immer abhängiger von den Reaktionen wird. Und dennoch auch weiterhin achtsam bleibt, sich nicht instrumentalisieren lässt.

So wird das Buch zu einem interessanten Experiment, denn Hector kommt trotz seiner psychopatischen Ader recht sympathisch rüber und scheint am Ende auch ganz zufrieden mit seinem Schicksal zu sein. Und als Leser muss man sich manchmal fragen, ob nicht auch ein wenig von Hector selbst in einem steckt, da die Schilderungen aus der Sicht des Ich-Erzählers bis zu einem gewissen Grad Hand und Fuß haben. Die ruhige und entspannte Erzählweise kommt dem Geschehen auch noch sehr entgegen.

„Strom“ fängt gelungen die düsteren Auswüchse ein, die der Hunger nach Likes und Followern mit sich bringen kann. Der Psycho-Thriller taucht in die Gedankenwelt eines Mannes ein, der ganz diesem Rausch verfällt und am Ende viele Grenzen überschreitet. Die Geschichte wird zwar ruhig beschrieben, hat es aber zwischen den Zeilen in sich und lässt den Leser nachdenklich zurück.