Michael Bennett: Die Meisterin der verdorbenen Wünsche (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 08. Januar 2023 10:46

Michael Bennett
Die Meisterin der verdorbenen Wünsche
Blue Panther Books, 2022, Taschenbuch, 212 Seiten, 14,90 EUR
Rezension von Irene Salzmann
Über den Autor Michael Bennett - vermutlich ein Pseudonym - erfährt man, dass ihn eine schwere Beziehungskrise ins Swinger- und BDSM-Milieu führte. Seine Erfahrungen lässt er in Titeln wie „EheHure“, „Sündige Verwandlung“ und aktuell „Die Meisterin der verdorbenen Wünsche“ einfließen. Letzterer bietet neben gut 200 Seiten Lesestoff einen Code, über den man kostenlos im Internet Michael Bennetts Kurzgeschichte „10 Tage Lustkontrolle“ abrufen kann.
Der freien Journalistin Fabienne gelingt es, Madame Bernard, eine Domina, die eine exklusive Agentur betreibt, welche im Ruf steht, alle noch so ausgefallenen erotischen Wünsche zu erfüllen, zu einem Interview zu bewegen. Während sich die geheimnisvolle Geschäftsfrau in Hinblick auf ihre Person in Schweigen hüllt, gewährt sie in Form von ihr geschilderten kurzen Episoden tiefe Einblicke in die Fetischwelten ihrer anonym bleibenden Kunden.
Diese Fetische werden von Fall zu Fall skurriler: Beispielsweise spielt ein Herr in wenigen Tagen sein Leben von der Geburt bis zur Gegenwart vor akribisch recherchierten Kulissen und mit Freunden nach. Ein anderer bezieht seinen Kick daraus, dass ihn ein unerreichbar bleibendes Model finanziell ausnimmt. Andere versteigern ihre „Stuten“, die vom Meistbietenden teils nach vorgegebenen Regeln, teils beliebig benutzt werden dürfen. Andere buchen Rollenspiele mit Elfen, Raubtieren und Zentauren. Nicht immer ist der vordergründig unterwürfige Partner tatsächlich der Sub und der inszenierende der Dom; die Grenzen sind fließend und vermögen zu verblüffen.
Tatsächlich sind den Phantasien keine Grenzen gesetzt, und wer den Preis bezahlen kann, bekommt alles, angefangen bei einem erlesenen, nicht für jedermann zugänglichen Ambiente über Hollywood reife Special Effects bis hin zu willigen, perfekt ausgebildeten Sklaven und Mitspielern. Man staunt mit Fabienne über die fortwährende Steigerung bei den ungewöhnlichen Begierden der Kunden und was Madames Agentur möglich machen kann.
Die Journalistin ist fasziniert, kann gar nicht genug hören - und am Ende erlebt sie eine Überraschung, die man so nicht erwartet hätte.
Michael Bennett konstruierte für „Die Meisterin der verdorbenen Wünsche“ eine Rahmenhandlung, in die er mehrere Einzelgeschichten eingebettet hat, die man wahlweise an einem Stück herunterlesen oder in Häppchen genießen kann. Dabei bedient er sich eines fast schon dokumentarisch anmutenden Stils. Die Handlung wird auf das Kernthema, auf das Wesentliche reduziert und ist praktisch frei von inneren Monologen und schmückendem Beiwerk. Selbst die Dialoge fallen sparsam aus und werden nur an den Stellen berücksichtigt, an denen sie den Fetisch und das Vorgehen der Kunden besser erklären, als es der Erzähler beziehungsweise Madame in neutralen Worten könnte.
Das schafft eine ganz ungewöhnliche Atmosphäre, durch die der Leser Distanz zu den Protagonisten wahrt, er zu seinem Voyeur wird, der Dinge beobachtet, die gar nicht für sein Auge bestimmt sind.
Und genau dieser Kunstgriff hebt „Die Meisterin der verdorbenen Wünsche“ aus der Masse erotischer Titel heraus, unabhängig von den beschriebenen Praktiken, die sicher nicht immer jedermanns Geschmack treffen. Möchte man mal etwas anderes als das übliche ‚Er will sie, sie will ihn, rein in die Kiste, war das toll!‘ mit Gesülze und Gesäusel lesen, ist man hier an der richtigen Stelle.