Vera Seda: Das Souvenir - Weg des Begehrens (Buch)

Vera Seda
Das Souvenir - Weg des Begehrens
Blue Panther Books, 2022, Taschenbuch, 172 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wurde Kyelen unter üblen Bedingungen in einem Wiener Waisenhaus aufgezogen. Aber auch seit sie das ungastliche Heim verlassen konnte, änderte sich nicht viel an ihrer prekären Situation, denn der Lohn, den sie am Schalter des Bahnhofs verdient, reicht kaum für die Zimmermiete. Überdies bedrängt sie ständig ihr unangenehmer Vorgesetzter. Kyelens einziger Trost sind die geheimen, natürlich hoffnungslosen Träume, in denen sie einem attraktiven Reisenden, der regelmäßig sein Billett bei ihr löst, näherkommt.

Als der Herr Zeuge wird, wie der Bahnhofsvorsteher der jungen Frau fristlos kündigt, ihr sogar den zustehenden Lohn verweigert und sie aus der Wohnung wirft, beschließt er, sie mitzunehmen - als Souvenir von seiner letzten Reise von Wien nach Rom. Kyelen, die keinen Platz hat, an den sie gehen könnte, fügt sich, denn so erfüllt sich wenigstens ihr großer Wunsch: einige Stunden in den Armen des schönen Riccardo. Und es kommt noch besser, weil er ihr als Stelle anbietet, die Kinder der großen Familie Bonafini zu betreuen.

Damit und dass sie Riccardos Gespielin sein darf, ist Kyelen vollauf zufrieden. Sobald sie jedoch erfährt, dass er die Tochter einer einflussreichen Familie heiraten soll, und man sie bedrängt, das Haus der Bonafinis zu verlassen, will sie dem Glück des Mannes, den sie liebt, nicht im Weg stehen. Allerdings durchschaut Riccardo das böse Spiel, das seine Angehörigen mit der gutgläubigen Kyelen treiben. Er reagiert auf eine Weise, die niemand erwartet hätte, aber kann er seine Liebste immer beschützen und das Geheimnis ihrer Herkunft lüften?


Wie man es von Vera Seda gewohnt ist, baut sie zunächst einen atmosphärischen Hintergrund für ihre romantisch-erotische Story auf. Ob sie die Ereignisse auf fernen Welten oder im Wilden Westen ansiedelt, man hat immer eine interessante Kulisse, vor der sympathische Figuren nachvollziehbar agieren, so auch in „Das Souvenir“, das sich Riccardo Bonafini in Form der hübschen Kyelen aus Wien in seine Heimat mitnimmt.

Schnell entwickelt sich eine Beziehung zwischen ihnen, und sie beschreiten gemeinsam den „Weg des Begehrens“, denn Riccardo ist ein Anhänger der ausschweifenden Lebensweise der antiken römischen Oberschicht, insbesondere des Patriziers Appius und seiner Sklavin Lucia, deren Liebesleben er mit Kyelen nachspielen möchte, als deren Verkörperungen er sie beide sieht. Tatsächlich erfüllt ihm seine Gespielin alle Wünsche und ist auch bereit für Dinge, die ihm keine andere Frau, nicht einmal eine Hure, gewähren würde. Und sie genießt alles, was er mit ihr macht!

Wie es für das ungleiche Paar in Rom weitergeht und ob es ein Happy End gibt, möchte man nicht verraten. Ebensowenig die Details dessen, was Riccardo als zeitgenössischer Appius an Kyelen, die seine Lucia sein soll, alles heranträgt. Seine Liebste muss eine Menge erdulden, kennenlernen, genießen…, doch der Aufenthalt im Kinderheim hat sie auf so manches vorbereitet.

Dieser gesellschaftskritische Aspekt bleibt jedoch ein Randthema, genauso wie die angeblich historische Vorlage. Auf diese Punkte wird nur so weit eingegangen, wie unbedingt notwendig für Dramaturgie und Erotik. Es gibt durchaus mehrere römische Politiker namens Appius, darunter einen, der sich für die Rechte der Sklaven einsetzte (Appius Claudius Caecus, ca. 340 bis 273 v. Chr.) und als Vorlage gedient haben könnte, aber das auszuführen, würde am Ziel des Buchs und der Rezension vorbeigehen.

Die Lektüre macht Spaß, da Vera Seda zu fabulieren versteht, ohne bei der Wortwahl zu derb zu werden. Sie vermag, die Kulisse einzurichten und ihre Akteure überzeugend darzustellen. Obschon der Schwerpunkt auf den erotischen Abenteuern liegt, nimmt man Anteil am Schicksal der Charaktere, obgleich sie lediglich die Gut-Böse-Klischees erfüllen. Man wird auf jeden Fall sehr gut unterhalten, insbesondere wenn man den Mix aus History, Romantik und viel Sex schätzt.