Naomi Novik: Die Goldenen Enklaven - Scholomance 3 (Buch)

Naomi Novik
Die Goldenen Enklaven
Scholomance 3
(The Golden Enclaves, 2022)
Übersetzung: Doris Attwood
cbj, 2022, Hardcover, 524 Seiten, 20,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie haben es überstanden - die Rede ist natürlich von den magisch begabten Schülern, die auf Scholomance gingen. Ein magisches Internat, in dem die Eleven lernen zu überleben. Keine Ferien, kein Abhängen, keine Dates. Es gibt nur ein Ziel: die Schule zu überstehen und aus dem Tor wieder in die normale Welt zu fliehen. Dozenten gibt es keine, dafür verfolgen Mals - magische Bestien - die Kinder, von denen nur die Allerwenigsten überleben.

Doch dann hat El, eigentlich heißt sie ja Galadriel - ihr in Scholomance getöteter Vater kam aus Indien, ihre Mutter lebt als Heilerin ganz im Einklang mit der Natur in den Wäldern von Wales - eine Idee, wie man alle in Scholomance gefangengehaltenen Kinder auf einmal retten könnte. Dafür aber benötigt sie die Hilfe von allen Eleven; eigentlich etwas absolut Unvorstellbares - doch die Flucht gelingt.

Nur einer bleibt, vom größten der Mals lebendig verschlungen, zurück. Ausgerechnet Els große Liebe Orion opfert sich für seine Mitschüler.

Hier setzt vorliegende Handlung an.

El ist - verständlicherweise - am Boden zerstört. Dass Mals die Enklaven eine nach der anderen angreifen und teilweise vernichten, interessiert sie zunächst wenig. Sie gibt sich der Trauer, dem Selbstmitleid hin. Bis, ja bis ihre Freundinnen - unter ihnen erstaunlicherweise auch Liesel - sie um Hilfe für die Londoner Enklave anbetteln. Es gelingt ihr fast so nebenbei, die Bedrohung auszulöschen - wie war das mit der Prophezeiung ihrer Urgroßmutter, dass sie eines Tages sämtliche Enklaven auslöschen und die Welt vernichten wird? Die Kräfte dazu besitzt sie offensichtlich.

Und sie will die Qualen von Orion beenden. Auch wenn er schon tot ist, heißt dies leider nicht, dass er, verschlungen vom Mal, nicht leidet.

So begibt sie sich, begleitet von Liesel und Aadhya, nach Portugal - zum Eingang in die Scholomance - und sie betreten den Ort, zu dem sie nie, niemals zurückkehren wollten.

Sie finden und befreien Orion - doch damit ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende, kommen sie doch nun einer Intrige und einen dunklen Geheimnis auf die Spur, das die magische Welt, wie wir sie kennen, auslöschen könnte - allein durch die Wahrheit, auf welchen Opfern sie ruht.


Naomi Novik ist dem deutschen Leser insbesondere durch ihre Drachen-Reihe um Temeraire (dt. Blanvalet) bekanntgeworden. Mit ihren beiden bei cbj publizierten preisgekrönten Romanen „Das dunkle Herz des Waldes“ sowie „Das kalte Reich des Silbers“ bewies sie, dass sie auch außerhalb der Drachen-Fantasy punkten konnte.

Nun also der abschließende dritte Band ihrer Jugendbuch-Trilogie und Novik macht zu Beginn alles richtig. Sie zeigt uns die Trauer Els, die Heimkehr zu deren Mutter, die Freude und Erleichterung der anderen Enklaven, Familien und Freunde, als die Kinder von Scholomance heil zurückkehren.

Selbst als sie sich - wie zu erwarten war - Scholomance erneut nähert und tatsächlich - wen wundert’s wirklich - auf einen höchst lebendigen Orion trifft, war ich noch bei ihr. Doch damit lange nicht genug, häuft Novik dann Geheimnisse und Offenbarungen aufeinander, dass es einem Himmelangst wird. Da wird die bisherige Handlung kurz mal beiseitegeschoben, da zeigt sie uns eine ganz andere, natürlich mindestens, nein massiv brutalere magische Welt, da schockiert sie uns.

Das Finale dann - wie befürchtet - kein wirklich in sich passendes Ende, sondern ein unglaubwürdiges Zusammenführen der vielen Andeutungen und Handlungssträngen Dabei hätte die Autorin, wenn sie nur den Mut besessen hätte nach Band 2 aufzuhören oder zumindest entsprechend fortzufahren, etwas wirklich Tolles, Eigenständiges kreieren können, allein – nun, mehr verrate ich lieber nicht, man kann es sich bestimmt denken.

So bin ich enttäuscht, ob der verpassten Gelegenheiten, ob des ungenutzten Potentials, bin aber genauso überzeugt, dass viele Fans von Novik das Buch lieben und vergöttern werden - aus genau demselben Grund, aus dem ich es im Nachhinein so gerne in der Mitte beendet hätte.