Roque Larraquy: Die Mutterfresserin (Buch)

Roque Larraquy
Die Mutterfresserin
(La Comemadre)
Übersetzung: Linus Guggenberger
Festa, 2022, Hardcover, 190 Seiten, 22,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in der Heilanstalt Temperley für psychisch Erkrankte im Buenos Aires des Jahres 1907. Von Psychopharmaka oder Gesprächstherapie hält man noch nichts, stattdessen gibt es Eisbäder, Stromschläge und ähnlich „hilfreiche“ Behandlungsmethoden gegen Schizophrenie oder Depressionen.

Doktor Quintana hat sich verliebt. Nein, nicht das was Sie meinen - keine Patientin, die Oberschwester hat es ihm angetan. Dumm daran, dass sowohl sein Chef wie auch ein weiterer Kollege von Menéndez ebenfalls recht angetan sind.

Dann lobt der Anstaltsleiter ein neues Forschungsprojekt aus. Es geht darum zu untersuchen, ob und was nach dem Tod auf uns wartet.

Es ist bekannt, dass Menschen, nachdem ihnen mittels Guillotine der Kopf vom Leib getrennt wurde, noch rund neun Sekunden leben. Mittels einer perfekt erdachte Apparatur wollen der Anstaltsleiter und seine Ärzte nicht nur schmerzfrei die Separation des Kopfes vom Leib erreichen, sondern durch Zuführung von Luft auch eine verbale Mitteilung des Erlebens der Opfer ermöglichen…

Einhundert Jahre später möchte ein gefeierter Künstler eine echte Kopie seines Körpers mit Hilfe eines Jungen, der ihm frappierend ähnlich sieht, schaffen. Bei dem Versuch stößt er auf alte Aufzeichnungen aus Temperley und Comemadre-Larven, die, einmal aus ihrem Schlaf geweckt, alle Materie zu Staub wandeln können…


Was ist dies doch für ein seltsames Buch. Skurril, ja, das passt, als lustig wird es beschrieben - nun, so richtig lustig fand ich es nicht: Im ersten Teil kommt, ob der jeglicher Moral und Ethik zuwiderhandelnden Ärzte, noch Grusel-Feeling auf, im zweiten hat der gefeierte argentinische Autor mich dann verloren.

Zunächst stellt er uns einen adipösen Protagonisten vor, beschreibt dessen Selbstfindung noch durchaus interessant - dann aber wird es abstrus, grotesk, unbegreiflich. Was nur will mir der Autor mit diesem Text, der immerhin für den National Book Award und dem Best translated Book Award nominiert war, sagen?

Der Verfasser positioniert sich selbst nicht. Leidenschaftslos beschreibt er die Vorgänge, wertet nicht, scheint den beschriebenen Versuchen gegenüber gleichgültig zu sein. Dabei vermeidet er es, religiöse Überzeugungen zu inkludieren oder zu hinterfragen, präsentiert uns schlicht die Beschreibungen der Vorkommnisse und lässt uns damit alleine. Es mag sein, dass er damit versucht, seine Leser zu fordern - mich hat er hier leider auf dem Weg verloren.

So bleibt ein ambivalenter Eindruck. Der erste Teil des Buchs konnte mich packen, im zweiten Teil aber hat der Inhalt mich nicht wirklich überzeugen können.