Erstaunliche Geschichten 6: Der Maschinenfresser, Klaus-Dieter Sedlacek (Hrsg.) (Buch)

Klaus-Dieter Sedlacek (Hrsg.)

Erstaunliche Geschichten

6: Der Maschinenfresser

Übersetzung: Klaus-Dieter Sedlacek

Toppbook.de, 2021, Paperback, 64 Seiten, 8,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Zwischen 1930 und ca. 1950 erschienen in den USA Periodika, die den Leser, auf stark holzhaltigem Papier gedruckt, vom tristen Alltag ablenken sollten. Schlägt man heute die (online oder für teuer Geld gekauft) alten Magazine auf, so stößt man auf eine schier unglaubliche Anzahl mittlerweile weitgehend vergessener Verfasser, die eines perfekt beherrschten: sie fabulierten phantasiereich und actionlastig, entführten ihre Leser auf fremde Planeten, oder zu gar merkwürdigen Vorkommnissen.

Ein paar der damaligen Verfasser kennen wir heute noch: Isaac Asimov, Poul Anderson, Robert Bloch, Ray Bradbury, Arthur C. Clarke, Dashiell Hammett, Robert A. Heinlein oder Jack Vance wagten hier ihre ersten literarischen Gehversuche. Die reißerischen, bunten Cover taten ein Übriges, die Pulps als Schund- und Schmutzliteratur abzuwerten - was deren Erfolg keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil, zogen die bunten Bilder die Leser erst zu den Magazinen.

Im inhalbergeführten Toppbooks-Verlag erscheint seit 2020 eine Reihe, die im Format der alten Pulps nach wie vor lesenswerte Geschichten der Ära in Neuübersetzungen und fast gänzlich erstmalig auflegt. Jeder der dünnen Bände enthält vier Erzählungen - wobei sich der Herausgeber bemüht, sofern vorhanden, die im Original beigefügten (oftmals eindrucksvollen) Schwarzweiß-Illustrationen mit aufzunehmen.

Vorliegend hat der Herausgeber sich erfolgreich bemüht Geschichten zu finden und auszuwählen, die auch aktuelle Entwicklungen aufgreifen. Es sind Erzählungen, die - verklausuliert versteht sich - Klimawandel oder Umweltschutz inkludieren.


Den Auftakt macht „Der Maschinenfresser“ von Stanley G. Weinbaum, eine Story um einen genialen Erfinder, dessen Maschine in der Lage ist, im Gedanken der Menschen entweder eine idealisierte Figur auferstehen zu lassen, oder aber das ultimative Grauen zu entfesseln - letzteres mit gar drastischen Folgen für den Menschen, der sich dem aussetzt.

Einer der eindrucksvollsten Autoren der Goldenen Ära, Abraham Merritt, folgt mit der wohl besten Erzählung des Bandes - wobei ich hier vielleicht nicht ganz objektiv bin, gehört Merritt doch zu meinen Lieblingsautoren. Wer „Der Mondteich“ oder „Das Schiff der Ishtar“ nicht kennt, hat definitiv etwas versäumt - lesen! Die Bücher gibt es antiquarisch für 'nen Appel und ein Ei!
Vorliegend präsentiert er uns einen Mann, der sich von den traumatischen Kriegsgeschehen im Ersten Weltkrieg in einer malerischen Gegend erholt. Ein See, lichte Wälder und eine gute Unterkunft sorgen für die Heilung der Seele - bis eben jene Wälder um seine Hilfe gegen sie angreifende Holzfäller bitten.

H.P. Lovecraft kennt wohl ein jeder, der sich ein klein wenig mit Phantastik beschäftigt hat. Im vorliegenden kurzen Stück geht es um eine Ganoventruppe, die ausgerechnet in Kingsport einen alten Seebär überfallen und ausrauben will - keine wirklich gute Idee.

Zum Abschluss erwartet uns ein echter (Arthur Leo) Zagat. Eine junge Liebe, just vor dem Altar geschlossen, droht tragisch und viel zu bald zu enden - soll die Hochzeitsnacht doch im Familien-Mausoleum verbracht werden.


All diese Geschichten zeichnet der so oft beschworene, selten erreichte Sense of Wonder aus. Gerade die Tatsache, dass alles auf eine Perspektive der 30er Jahre aufsetzt, verleiht den Geschichten ein zugleich anheimelndes, aber auch interessantes Flair.

Das dünne Bändchen bieten dem Leser für wenig Geld vier gut übersetzte Ausflüge in den Pulp-Vergangenheit, die dem Leser verschiedenste Spielarten der Phantastik offerieren und heutige Autoren so manches Mal in den Schatten stellen.