Armin Rößler und Heidrun Jähnchen (Hrsg.): Die Audienz (Buch)

Armin Rößler und Heidrun Jähnchen (Hrsg.)
Die Audienz
Wurdack, 2010, Taschenbuch, 220 Seiten, 11,95 EUR, ISBN 978-3-938065-62-4

Von Gunther Barnewald

„Die Audienz“ ist die zehnte Anthologie mit Kurzgeschichten deutscher Autoren in dieser Reihe und enthält 16 Storys zwischen 4 und knapp 30 Seiten Länge. Wie so oft bei solchen Veröffentlichungen differiert die Qualität der einzelnen Geschichten im Vergleich untereinander sehr stark. Erfreulich ist jedoch, dass die guten Erzählungen eindeutig die Oberhand haben.

So erzählt Andreas Flögel kurz und prägnant von einer Zukunft, in welcher der Einzelne kaum noch körperlichen Kontakt zu anderen Menschen hat. Androiden dienen als Sexspielzeug, Ehepaare sind meist nie zusammen in einem Raum. Als jedoch ein Mann ermordet wird, kommen dem Ermittler Zweifel, ob wirklich ein defektes Kunstlebewesen für den Tod des Menschen verantwortlich ist... Zwar erinnert Flögels Kurzgeschichte an Willi Voltz´ berühmte Story „Stinktier”, ist aber absolut eigenständig und wunderbar ausgedacht und durchkomponiert.

Auch Karsten Kruschels „Ende der Jagdsaison auf Orange” ist sehr lesenswert und interessant, entführt sie doch den Leser in die bunt-exotische Flora und Fauna eines fremden Planeten und schildert darüber hinaus glaubhaft eine interessante Geschichte.

Die längste Story stammt von Karla Schmidt, ist sehr düster und deprimierend, jedoch hervorragend erzählt und zeichnet sich vor allem durch kreative Ideen aus. Besonders die Verwendung einer Software in einer Brille, mit der man die Mimik und Gestik seiner Mitmenschen (und natürlich auch gleich deren Biographie; Datenschutz Fehlanzeige!) lesen kann, welche gleich in Emotionswerte umgesetzt wird, ist als Idee ein Highlight der Anthologie.

Ebenfalls sehr einfallsreich ist Heidrun Jähnchen in ihrer Story, in der Forscher eine ganz besondere Fauna auf einem fremden Planeten entdecken, welche tatsächlich den Nachweis liefern kann, dass die Menschheit nicht die einzige intelligente Rasse im Universum ist...

Auch die Geschichten von Bernhard Schneider, Christian Weis, Christian Günther, Armin Rößler, Arnold H. Bucher, Kai Riedeman und Andrea Tillmans überzeugen in Stil und Konzeption.

Dagegen leiden die Kurzgeschichten von Frank W. Haubold und Regina Schleheck etwas an ihrer kryptischen Botschaft, wenn sie auch gut geschrieben sind. Die inhaltliche Umsetzung bleibt jedoch völlig unbefriedigend (besonders der Plot von Haubolds Story blieb mir auch nach dem zweiten Lesen völlig unverständlich).

Totalausfälle sind dagegen aus meiner Sicht die sehr experimentellen Kurzgeschichten von Bruna Phlox (allein das aufgeblasene Pseudonym spricht hier für sich!), Nadine Boos (viel graphisches Experiment ohne berauschenden Inhalt) und die pseudohippe, an manch gehypten „Hochliteraten” erinnernde Wortgeklingelgeschichte von Jakob Schmidt, die als Kontrapunkt zu ihren abgehobenen Formulierungen Fäkalsprache einsetzt, um den Leser völlig vom Inhalt abzulenken (hier spricht aus jedem Satz der Anspruch, ein „Kunstwerk” sprachlicher Überraschung zu schaffen) und so erst gar keinen Lesefluss aufkommen lässt.

Aber abgesehen von diesen drei schwachen und den zwei schwächeren Kurzgeschichten überzeugt „Die Audienz“ durch 11 gute bis sehr gute Storys deutscher Autoren, die zeigen, dass SF aus Deutschland nicht prinzipiell trivial, minderwertig oder einfach nur schlecht erzählt sein muss. Hoffentlich wird es den kleinen Wurdack Verlag und seine mutigen Anthologien noch lange geben. Mögen diese Leser finden, sie haben es verdient!