The Girl with All the Gifts (DVD)

The Girl with All the Gifts
GB 2016, Regie: Colm McCarthy, mit Gemma Arterton, Paddy Considine, Glenn Close u.a.

Rezension von Elmar Huber

Eine Pilzinfektion hat den Großteil der Menschheit in Wilde verwandelt, die willenlos ihrem Appetit nach menschlichem Fleisch folgen. Wissenschaftler arbeiten unter dem Schutz des Militärs fieberhaft daran, einen Impfstoff zu entwickeln. Hoffnung könnte eine Gruppe von Kindern sein, deren Mütter während der Schwangerschaft infiziert wurden. Die Kinder sind eine Art Zwitter, die ein normales Verhalten aufweisen, solange die Menschen in ihrer Umgebung einen speziellen Geruchsblocker verwenden. Erst der Menschengeruch lässt sie zu reißenden Ungeheuern werden.

Als der Militärstützpunkt von den Hungries überrannt wird, können sich das Mädchen Melanie (Sennia Nanua), die Lehrerin Helen Justineau (Gemma Arterton), die Wissenschaftlerin Caroline Caldwell (Glenn Close) und einige der Soldaten retten, die sich nun den Weg nach London erkämpfen müssen.

 

Eine Gruppe Kinder, die an Rollstühle gefesselt und unter Waffenschutz aus ihren Zellen zum Schulunterricht gebracht wird. „The Girl with All the Gifts“ beginnt mit diesen verstörenden Bildern. Eine Empfindung, die sich noch verstärkt, als Sgt. Parks (Paddy Considine) ein kleines Experiment mit den Kindern startet.

Fast nur nebenbei erfährt man kurz darauf, dass diese Welt eine Welt der Zombies, hier Hungries genannt, ist, die den Militärposten eingekreist haben und unaufhörlich die Zäune attackieren. Auch die Schulkinder sollen solche Bestien sein, die bei erster Gelegenheit den Menschen die Kehle herausreißen würden. Eine Behauptung, die durch das Verhalten der jungen Melanie komplett untergraben wird. Sie schnallt sich selbst im Rollstuhl an, ist höflich zu den Soldaten, die ängstlich die Waffen auf sie richten, wissbegierig im Unterricht und sogar bereit, sich selbst zu opfern, bevor einer ihrer Mitschüler zu einem weiteren Versuchskaninchen für Dr. Caldwell wird.

Doch natürlich menschelt es auch in dieser Welt, und Ms. Justineau baut ein emotionales, sogar mütterliches Verhältnis zu Melanie auf. Und ebenso natürlich ist Melanie eine solche Bestie, was sie im Chaos, als das Lager von den Infizierten überrannt wird, beweist. Doch rettet sie damit auch ihrer Lehrerin das Leben. Eingeschlossen in ein Militärfahrzeug bleibt der zusammengewürfelten Gruppe nur die Flucht über das Land, wo überall die Hungries lauern können.

Von Beginn an ist die Gruppe uneins. Helen Justineau will Melanie um jeden Preis beschützen. Dr. Caldwell sieht in ihr nur ein Forschungsobjekt, das man besser gleich als später aufschneidet. Sgt. Parks ist vom Misstrauen gegenüber Melanie förmlich zerfressen; warum, erfährt man am Ende des Films. Doch auch die anderen Figuren offenbaren im Verlauf der Handlung weitere Facetten, die Verständnis wecken. Es gibt hier kein nur Gut oder nur Böse.

Das alles ist von Colm McCarthy („Sherlock“, „Peaky Blinders“) in einer brillanten Mischung aus Spannungsmomenten, emotional aufwühlenden Szenen und fast meditativen Bildern realisiert, die den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle stürzen. Als einen der stilistischen Einflüsse gibt der Regisseur Gareth Edwards „Monsters“ an, der eine ganz ähnliche Mischung bietet. Auch das verfallene und teilweise bereits pflanzenüberwachsene London (in den Luftaufnahmen gedoubelt von der Tschernobyl-Geisterstadt Pribyat) bietet einige optische Highlights. Wie Salzsäulen säumen hier die Hungries die Straßen, und unsere Helden müssen sich dazwischen bewegen, ohne bemerkt zu werde -, das reinste Mienenfeld.

Es herrscht Suspense pur und ein fast klassisches Western-Feeling. Zusätzlich ist die Gruppe immer mehr auf Melanies Hilfe angewiesen, die ihrerseits zunehmend stärker kämpfen muss, um ihren Appetit nach Menschenfleisch zu unterdrücken. Hier merkt man, dass Autor Mike Carey ein Profi ist und als Autor unter anderem auf eine erkleckliche Anzahl an Comicheften („Luzifer“, „Hellblazer“, „Die Bücher der Magie“, „The Unwritten“) zurückblicken kann. Das Drehbuch zu „The Girl With All The Gifts“ hat er nach seinem eigenen, gleichnamigen Roman (dt.: „Die Berufene“) verfasst.

Tatsächlich kann ein Film auch im Jahr 2016 noch dem Zombie-Genre neue Impulse abgewinnen. Nämlich wenn es gelingt, den Zuschauer emotional zu packen. Dies passiert hier sehr clever und eindringlich, indem über die Figur Melanie komplett widersprüchliche Informationen gesendet werden. In ihrer Rolle muss sich Sennia Nanua nicht vor den erfahreneren Kolleginnen verstecken. Die Jungschauspielerin ist der absolute Star des Films.

„The Girl with All the Gifts“ ist eine Großartig emotionale Tour de Force, die sowohl die Figuren wie auch die Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle stößt und dies mit phantastischen Bildern begleitet.