Enigma (Comic)

Enigma
(Enigma, 2021)
Text: Peter Milligan
Zeichnungen: Duncan Fegredo
Übersetzung: Jörg Fassbender
Cross Cult, 2022, Hardcover, 264 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Peter Milligan gehört zu den progressiven britischen Autoren   der 80er und 90er, die ganz eigene schräge Geschichten erzählen wollten, fern der Vorgaben und Konventionen irgendwelcher Genres. Zusammen mit dem Künstler Duncan Fegredo, der auch mit Mike Mignola an „Hellboy“ gearbeitet hat, hat er 1993 die Mini-Serie „Enigma“ für das DC-Label Vertigo geschaffen, die bei Cross Cult in einem Hardcover-Sammelband im Magazin-Format erscheint.

 

Michael Smith ist ein ganz normaler, fast schon pedantisch zu nennender Mann, der in einer amerikanischen Kleinstadt Telefone repariert und einen festgefügten Alltag hat. Duschen, aufs Klo gehen und auch die intimen Momente mit seiner Freundin hat seine Zeit. Doch langsam bricht diese Fassade zusammen, denn immer wieder wird er von Albträumen - oder ist es die Wahrheit? - eingeholt, in der seine Kindheitshelden zum Leben erwachen, Tod und Zerstörung bringen. Denn ein seltsamer Serienkiller, dessen Markenzeichen eine Eidechse ist, treibt sein Unwesen. Michael spürt, dass er etwas unternehmen muss und wagt eine lange Reise, um Enigma und die anderen zu finden, aber auch seine eigene Identität.


„Enigma“ ist kein leicht zu verdauender Comic und fordert viel Aufmerksamkeit und Offenheit vom Leser, denn die Darstellungen sind nicht gerade ohne, auch die Erzählung selbst kommt eher kryptisch und visionär daher. Letztendlich lässt sich aber eines herauslesen. viel hängt auch mit der Vergangenheit des Helden und den unterdrückten Erinnerungen von der Farm in Arizona zusammen, die immer wieder durchbrechen.

Die Handlung lässt geschickt offen, ob die Superhelden wie Enigma und Envelope Girl nur Wahnvorstellungen sind,oder vielleicht doch lebendige Menschen, die in die entsprechenden Rollen geschlüpft sind. Letztendlich ist das nicht wichtig, denn in erster Linie ist das Geschehen eine Reise in das Innere von Michael Smith, der sich aus dem starren Korsett seines Lebens frei strampelt und endlich zu seiner wahren Identität stellt, in der er eben nicht der Mann mit Frau und Kindern ist, sondern einer, der endlich lernt zu seiner Homosexualität zu stehen.

Heraus kommt ein wilder Trip, der manchmal phantastisch wirkt, dann wieder wie ein Drogentrip, genau so bodenständig wie abgehoben ist und sich letztendlich nicht in irgendeinen Rahmen pressen lässt, so wie es damals bei Vertigo üblich war, einem Label für Erwachsene, in dem auch Sexualität und Drogensucht, Gewalt und andere nicht jugendgerechte Themen zur Sprache kamen. In der Hinsicht sei der Titel all den Fans empfohlen, die Spaß an diesen eigenwilligen Geschichten haben, in denen man auch viel zwischen den Zeilen lesen muss.

„Enigma“ durchbricht Genre-Grenzen, denn die Mini-Serie ist nicht nur phantastisch und magisch, sondern auch sehr bodenständig und gesellschaftskritisch - eine Geschichte, für die man sich sehr viel Zeit nehmen muss, um sie verstehen und genießen zu können.