Alisha Bionda (Hrsg.): Advocatus Diaboli (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Advocatus Diaboli
Titelbild und Innenillustrationen von Andrä Martyna
Edition Roter Drache, 2010, Hardcover, 334 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-939459-22-4

Von Carsten Kuhr

Man sollte ja meinen, dass gerade und insbesondere die Phantastische Literatur schon alle Facetten des Bös-Makaberen erkundet hätte. Doch mir zumindest war und ist die Fragestellung, die Alisha Bionda, die umtriebige Herausgeberin mit Wohnsitz auf Mallorca, ihren Autoren an die Hand gab, neu und bis dato unbekannt gewesen. Zum einen ging es darum, den Dialog des Verstorbenen oder Sünders mit dem Herrn der Hölle zu schildern, aber auch um die Hintergründe des Bittstellers, mit und durch die dieser um Aufnahme in der Hölle bittet.

Es geht um Schandtaten, Sünden und Widerlichkeiten, um Morde und Perversionen, Folterungen und Leiden. Dabei wird nicht nur das voyeuristische Element im Leser angesprochen, es geht auch darum, selbigen zu überraschen. Wenn man sich die zugrundeliegende Frage einmal durch den Kopf gehen lässt, wird man schnell merken, dass „gängige“ Beichten hier auf Dauer langweilig und schal wirken würden. Simple Geständnisse von Morden, Kindsmissbrauch oder Manipulationen würden kaum einen Leser hinter seinem Ofen hervorlocken. Das war auch den Autoren klar, und sie ließen sich so Einiges für ihre Leser einfallen.

Zwei Novellen ragen aus dem guten Gesamtbild besondern heraus. Zum einen, wie nicht anders zu erwarten war, der Beitrag von Marc Alastor E.E., aber auch Ascan von Bargen überzeugt durch atmosphärisch dichte, inhaltlich packende und letztlich im jeweiligen Finale überraschende Offenbarung der verstörenden Art.

Bevor ich näher aus den Inhalt der Buches eingehe, noch ein Wort zur äußeren Gestaltung. Alisha Bionda hat in den letzten Jahren vornehmlich im Sieben Verlag mit ihren Anthologien die Szene bereichert. Dort wie vorliegend legt sie Wert darauf, die Geschichten jeweils auch optisch umzusetzen. So ziert einmal mehr eine Originalzeichnung jeder Story, wobei ganz bewusst die üblichen satanistischen Motive außen vor blieben. Das Buch selbst ist auf hochwertigem Kunstdruckpapier gedruckt, sorgfältig gebunden und in ein festes Kleid – sprich Deckel – eingespannt. Das erklärt den sicherlich nicht ganz niedrigen Preis, wobei anzumerken ist, dass das Buch im Sinne des Wortes preiswert, das heißt seinen Preis durchaus wert ist.

In David Grashoffs „Herr Sanders“ stellt uns der Autor einen 48-jährigen peniblen, pedantischen Zollbeamten mit Glatze vor, den Luzifer unbedingt für seine Hölle rekrutieren will. Immerhin sprechen sechsundsechzig Morde in fünfunddreißig Jahren eine klare, eindeutige Sprache. Mit fünf Jahren tötete er sein erstes Tier, mit dreizehn den ersten Menschen. Jetzt sucht er sich eine neue Herausforderung – wie wäre es damit, einen Dämonen zu töten?

Thomas Plischke stellt uns in „Die Bewerbung“ einen jungen Mann vor, der sich bei dem erfolgreichen Business Ableger der Hölle bewirbt. Ein Mann, der zielgerichtet und energisch im Dienst seines Arbeitgebers zu arbeiten wünscht – bis sich herausstellt, dass er in Wahrheit der inneren Revision angehört ..

Nicolaus Equiamicus lässt Luzifer höchstselbst einem seiner treuen Gefolgsleute „Die Beichte“ abnehmen. Doch wie dieser für seine Höllendienste dann belohnt wird, das ist wahrhaft teuflisch...

Dave T. Morgan zeigt in „Engelsfall“ dass die Engel nur die Ausputzer des Herren sind – und durchaus fallen können. Doch kaum in der Hölle angekommen, überrascht er seinen gefallenen Bruder nicht nur mit einer Sündenbeichte, sondern mit einer wahrhaft göttlichen Gnade...

Bernd Rümmelein lässt einen perversen Mörder vor dem vermeintlichen Fürsten der Hölle in „Dein Name sei Antobaal“ eine ergreifend böse Beichte ablegen. Um sich bei Baal einzuschleimen hat der Mann nicht weniger als sechs Seelen gen Himmel gesandt – sechs Seelen, die Mephisto nun nicht mehr foltern kann...

Gian Carlo Ronelli erzählt von einem perfiden „Virus“, der die Hölle heimsucht – denn merke: nicht jedes kleine Mädchen ist wirklich so brav wie es aussieht. Schon gar nicht, wenn es seine Familie umgebracht hat, und eine passionierte Lügnerin ist...

Marc-Alastor E. E. berichtet uns in „Die Vernunft im Blute“ in seiner typisch eindringlichen Sprache von einer wahrhaft teuflischen Gerichtsverhandlung, in der der Leibarzt einer Adeligen über die Geschehnisse, die zu deren Obduktion führten, Rechenschaft ablegen muss...

Aino Laos & Christoph Marzi erzählen uns in „Passion Killer“ von der Rache einer ausgenutzten und betrogenen Frau an einem skrupellosen Verführer – bis beide dann die Sicht des jeweils anderen wirklich nachvollziehen können...

Tanya Carpenter lässt in „Poison Eve“ eine altbekannte Schlange auf den Teufel los. Schon im Paradies hatte es Eva mit den Reptilien, jetzt, nachdem ihr Blut durch geringe Dosen der Gifte immunisiert wurde, will sie die nächste Karrierestufe erklimmen, selbst wenn das bedeutet, Luzifer selbst ausschalten zu müssen...

In Torsten Sträters „Tag der Offenen Tür“ schaut sich der Teufel persönlich seinen Neuzugang genau an, um für diesen dann den passenden Höllenkreis herauszusuchen...

Ascan von Bargens „Unlicht“ stellt uns nicht nur einen Attentäter vor, der in einem abgeschiedenen Gefängnis eingekerkert wurde, sondern auch die Tochter eines seiner prominenten Opfer. Als Psychologin muss diese den Täter eigentlich behandeln, doch kann sie den Aussagen des offensichtlich geistig Umnachteten, die Hölle selbst bereits einmal besucht zu haben, nicht glauben – bis ihr dann doch Zweifel kommen, ob der Sniper nicht doch bereits einmal im Unlicht geweilt hat...

In Melanie Stones „Die Macht der Ewigkeit“ kommt ein weiterer gefallener Engel in den Hades. Zunächst ist Luzifer überzeugt davon, dass ihm ein Verräter untergeschoben werden soll – doch dann berichtet der verbannte Engel davon, warum ihm die Tore des Himmels verweigert werden...

In Sören Prescher „Rolfs Methode“ begegnet uns einer der modernen Glücksjäger, die auf Kosten der Beschäftigten und zu eigenem Besten marode Firmen gesundschrumpfen. Dieses Mal aber hat sich der Berater mit den Falschen angelegt...

In Andrä Martyna „Der Engel“ begegnet uns eine Hexe die, um als Gefährtin des Teufels nach ihrem Tod zu herrschen bereit ist, ihre eigenen Kinder und Ehemänner zu opfern – bis sie dann in der Hölle angelangt erkennen muss, das ihr etwas Wichtiges fehlt um bei Luzifer punkten zu können...