Michael J. Sullivan: Das Verschwinden der Wintertochter - Die Riyria-Chroniken 4 (Buch)

Michael J. Sullivan
Das Verschwinden der Wintertochter
Die Riyria-Chroniken 4
(The Disappearence of Winter’s Daughter. Book Three of the Riyria Chronicles, 2017)
Übersetzung: Wolfram Ströle
Titelbild: Larry Rostant
Hobbit Presse, 2022, Paperback, 462 Seiten, 17,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Hadrian und Royce haben sich als Problemlöser einen Namen gemacht. Inzwischen müssen sie nicht mehr um Aufträge betteln, die Kunden kontaktieren sie und bieten mit gutem Gold auf ihre Dienste.

Etwa Gabriel Winter, der Mann, der mit „Winters Whiskey“ in Colnora ein Vermögen gemacht hat. Seine wackere Tochter, immerhin die treibende merkantile Kraft hinter Papas Imperium; hat kürzlich, schon über 30 und damit eigentlich keine Partie mehr, geheiratet. Nicht irgendwen, nein der Graf von Rochelle hat die Mitgift eingesteckt, gerüchteweise soll er aber nicht nur auf die edlen Taler geschaut, sondern seiner Angetrauten auch wirklich verbunden sein.

Als diese verschwindet, beauftragt der Vater der Verschollenen unsere beiden Spezialisten entweder die Verschwundene zu befreien, oder grausam Rache zu nehmen.

In der Küstenstadt angekommen aber müssen sie sich nicht nur mit Halbelfen, Zwergen und der Stadtwache herumschlagen - auch die allmächtigen Priester und steinerne Golems mischen im Intrigenspiel munter mit. Und niemand scheint irgendwelche Skrupel zu haben, unliebsame Nachforschungen zu unterbinden - dauerhaft, versteht sich…


Was ist dies für ein Roman, den uns Sullivan hier kredenzt? Natürlich der vierte Teil der Jugendabenteuer unserer beiden Helden, das ist klar. Aber auch ein Einzelroman, der aus dem sonstigen Serien-Kosmos herausragt. Es geht im Buch eigentlich im Wesentlichen um zwei Themen: um Gleichberechtigung respektive Ausgrenzung von fremden Völkern und um die Emanzipation von Frauen in einer archaischen Gesellschaft.

Das ist zunächst einmal schwerer Tobak noch dazu für einen High-Fantasy-Roman. Natürlich bietet der Plot jede Menge Geheimnisse, Schurken, Kämpfe und Intrigen - Sullivan weiß, wie er seine Leserinnen und Leser bei der Stange hält. Das ist interessant, packend und fesselnd aufgemacht, dient ihm aber nur dazu, uns den alltäglichen Rassismus der Menschen gegenüber (Halb-)Elfen und Zwergen umso deutlicher ins Gedächtnis zu rufen.

Mit der älteren - ich erwähnte, dass man mit über 30 in einer Fantasy-Welt schon zum alten Eisen gehört? - nicht ganz schlanken und trinkfesten Gräfin aus bürgerlichen Verhältnissen lockert er die Handlung nicht nur auf, er thematisiert auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und dies auf ebenso unterhaltsam-vergnügliche wie spannende Art und Weise.

Mit unseren Helden machen wir uns an die Aufklärung des Verbrechens, stochern im Nebel der Korruption und des Verrats.

Dies soll nicht heißen, dass der Einzelroman, der sich auch ohne Riyria-Vorkenntnisse lesen und genießen lässt, frei von Kritik wäre. Der Mittelteil ist deutlich zu lang geraten, hier hätte eine deutliche Straffung dem Plot gut getan. Zumal der Rezipient von den Offenbarungen nicht unbedingt wirklich überrascht wird. Vieles ist gerade hier offensichtlich, wird zu breit ausgewälzt, unnötige Wendungen stellen die Duldsamkeit auf die Probe. Man ist ersucht hier einige Seiten zu überspringen - dann aber konzentriert sich Sullivan wieder, sammelt seine Handlungsstränge und marschiert stramm auf sein Finale zu.

Also ein von den innewohnenden Themata ungewöhnlicher Fantasy-Roman, der aber trotzdem - vielleicht auch gerade deswegen - gut unterhält und ein bisschen zu lang geraten ist, aber letztlich seine Leser in seinen Bann schlägt.