Eva-Maria Silber & Kirsten Wilczek: Schwesterntod (Buch)

Eva-Maria Silber & Kirsten Wilczek
Schwesterntod
dp Verlag, 2021, eBook, 5,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

1987 kostete der Fall Bosmann die junge Staatsanwältin Marie-Louise Campferbrinck ihre Karriere. Sie wollte wider aller Indizien und Kollegenmeinungen nicht glauben, dass Heidrun Bosman ihre beiden minderjährigen Töchter umgebracht hat. Nun, 2010, soll der Vater der Mädchen, Roland Bosmann, die Tat gegenüber Zeugen gestanden haben. Gemeinsam mit ihrer Schwester Marte, der ehemaligen stellvertretenden Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf, gründet die frisch verwitwete Marie-Louise einen deutschen Ableger von „Judges find Justice“, einer Vereinigung ehemaliger Richter, die auf eigene Faust Fälle mit zweifelhaften Verurteilungen nochmals aufrollen.

 

Dem Roman liegt der Fall „Melanie und Karola Weimar“ zugrunde, Heidrun Bosmann ist Monika Weimar, die 1988 in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft für den Mord an ihren Kindern verurteilt wurde. In weiteren Verfahren wurde dieses und auch Folgeurteile mehrmals wieder aufgehoben, sodass der Fall „aus juristischer Sicht bemerkenswert“ (Wikipedia) ist.

Titel und Covergestaltung lassen einen eher konventionellen Thriller erwarten, sodass man einige Seiten benötigt, um richtig in den eher legeren Ton und Stil von „Schwesterntod“ hineinzufinden.

Mit den beiden rüstigen Rentner-Schwestern, die keine Frotzelei auslassen, und flankiert von dem (über-) eifrigen Anwalt Michael Strättges hat man nämlich deutliches Cozy-Crime-Potential. Auch das eine oder andere Fettnäpfchen wird von den Damen nicht ausgelassen, um danach stolz erhobenen Hauptes weiterzumarschieren.

Dem entgegen steht die doch sehr dramatische und tragische Geschichte um den Tod zweier kleiner Mädchen und der (Vor-) Verurteilung einer Unschuldigen. Von den Folgen für die Familie - ein Selbstmordversuch, Medikamentensucht, psychische Instabilität etc. - gar nicht zu reden. Realisiert wird dies mit zahlreichen Rückblenden, die die Zeit und das Umfeld der Morde lebendig machen.

Die Tragik der Ereignisse und ihrer Folgen wird keinesfalls heruntergespielt. Auch die Schwestern Campferbrinck sind trotz ihrer gegenseitigen Sticheleien und eines oft humorigen Tons durchaus ernst zu nehmen und geraten im Verlauf ihrer neuen Ermittlungen sogar selbst in Lebensgefahr.

Die Mischung klingt unpassend, doch schaffen es Eva-Maria Silber und Kirsten Wilczek souverän, eine ganz eigene Linie zu finden, die beide ‚Genres‘ vereint. Dazu ist „Schwesterntod“ sehr gut konstruiert, mit durchgehendem Spannungsbogen, einigen Überraschungsmomenten und ohne Längen. Als Kür gibt es am Ende des Romans tatsächlich eine Aufklärung der Morde, die sich passend in den Gesamtkontext des Romans einfügt, aber keine bewiesene Entsprechung in der Realität hat.

„Schwesterntod“ ist ein ungewöhnlicher Cozy-/Thriller-Mix außerhalb des üblichen Genre-Fahrwassers.