Spider-Man Noir Collection (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 06. Februar 2022 11:08

Spider-Man Noir Collection
(Spider-Man Noir Collection: Spider-Man Noir 1-4, Spider-Man Noir: Eyes Without A Face 1-4, Spider-Man Noir: Edge of Spider-Verse, Spider-Verse Team-Up 1, Spider-Geddon: Spider-Man Noir Video Comic 1)
Text: David Hine, Fabrice Sapolsky, Roger Stern u.a.
Titelbild: Patrick Zircher
Zeichnungen: Bob McLeod, Carmine Di Giandomenico u.a.
Übersetzung: Michael Strittmatter
Panini, 2021, Hardcover, 260 Seiten, 36,00 EUR
Rezension von Elmar Huber
New York, 1932: Amerika ist fest im Griff der Depression, die Stadt am Hudson in den Händen der korrupten Obrigkeit und deren Vollstrecker Norman Osborne, der Kobold, inklusive seiner Schergen, die allesamte einer Freak-Show entsprungen sein könnten.
Der Reporter Ben Urich wird auf den Heißsporn Peter Parker aufmerksam, der gemeinsam mit seiner Tante May eine Anlaufstelle für Obdachlose betreibt und gegen das korrupte System aufsteht. Urich nimmt den Jungen unter seine Fittiche und verschafft ihm eine Stelle beim „Daily Bugle“. Als Peter einen Diebstahl von Museumsobjekten beobachtet, wird er von einer Spinne gebissen, die einen Fluch und einige... Kräfte auf ihn überträgt. Mit seinen neuen, übermenschlichen Fähigkeiten und einer selbst gestalteten Verkleidung - ein dunkler Ledermantel, ebensolche Hosen, Stiefel und Rollkragenpullover, ergänzt mit einer Kopfmaske mit einer Art Fliegerbrille - nimmt Peter Parker als Spider-Man den Kampf gegen das kaputte System auf, denn er hat auch noch eine persönliche Rechnung zu begleichen.
Die Comic-Autoren Fabrice Sapolsky und Davin Hine hatten 2006 die Idee, eine alternative Version von Spider-Man zu kreieren, zeitlich angesiedelt in den 1930er Jahren und verankert im Genre der Noir- und Hardboiled-Krimis. Etwas, was bei DC Comics unter dem Elseworlds-Label gepflegt wurde; Geschichten, die außerhalb der Kontinuität spielen und in denen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten ergeben.
Die Entstehungsgeschichte von Spider-Man wird hier etwas anders erzählt. Gleichzeitig verwenden die Autoren von Beginn an zahlreiche bekannte Motive und Figuren der populären Historie, doch alles vortrefflich in dieses neue Umfeld eingewoben. So bringt der Reporter Ben Urich die erste Story überhaupt erst in Gang. Der Grüne Kobold, Sandman, Kraven und der Geier spielen als eine Art Mafia-Vollstrecker die Rollen der Antagonisten, die erstaunlich brutal vorgehen. Wie es sich für eine ordentliche Noir-Erzählung gehört, schrecken die Autoren auch vor moralischen Grautönen und dramatischen Story-Wendungen nicht zurück, die auch die Sympathieträger in ein suspektes Zwielicht setzen. Damit erhält „Spider-Man Noir“ einen unerwartet erwachsenen Anstrich.
Die zweite Storyline, „Eyes Without A Face“, bringt noch Dr. Otto „Doc Oc“ Octavius in einer interessanten Inkarnation in die Handlung ein. Im Dienst der amerikanischen Regierung führt der Biologe geheime medizinische Experimente durch. Als Versuchskaninchen dient ihm ‚minderwertiges‘ Menschenmaterial, unter anderem ein Reporterfreund von Peter. Ein deutlicher Fingerzeig ins nationalsozialistische Deutschland dieser Zeit.
Die Zeichnungen von Carmine Di Giandomenico wirken zunächst krakelig und gewöhnungsbedürftig, doch sobald man in der Handlung drin ist, kann man sich auf diese ungewöhnliche Optik gut einlassen.
Erst 2014 wird die Geschichte des 30er-Helden in „Spider-Man Noir: Edge of Spider-Verse“ überraschend organisch fortgesetzt und gleichzeitig ins Spider-Verse eingegliedert. Der Spagat gelingt großartig, die Zeichnungen von Richard Isanove erinnern an Andrea Sorrentino ohne das dick aufgetragene Pathos.
Hier hätte man den Sammelband gut abschließen können. Weder „Das Glück der Parkers“ (geht erzählerisch noch okay) noch „Heimatfront“ (komplette verzichtbar) können die intensive Atmosphäre und Dichte der originären „Spider-Man Noir“ Episoden zurückbringen.
Schon wegen der beiden großartigen ursprünglichen „Spider-Man Noir“-Geschichten ist diese Kollektion ein Must-have für Spidey-Fans. Dazu ist der mit Glanzdruck veredelte Hardcover-Band auch haptisch ein Highlight.