Hellboy 4: Sarg in Ketten (Comic)

Hellboy 4
Sarg in Ketten
(Mike Mignola's Hellboy: Chained Coffin and Others)
Autor: Mike Mignola
Artwork: Mike Mignola
Übersetzung: Michael Groenwald & Gunther Nickel
Lettering: Amigo Grafik
Cross Cult, 2006, Hardcover, 200 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-936480-24-5

Von Frank Drehmel

Der vierte Sammelband der „Hellboy“-Serie von Cross Cult wartet mit sieben mehr oder weniger langen Geschichten aus der Feder Mignolas auf, wobei der Autor die Storys um jeweils einen kurzen erläuternden Text ergänzt, in welchem er den Grundgedanken, die Inspirationsquelle oder auch die ungefähre zeitliche Einordnung innerhalb seines Œuvre in knappen Worten erläutert.

In „Der Leichnahm“ erhält der B.U.A.P.-Ermittler von einer verängstigten Mutter den Auftrag, ihr von Wesen der Anderswelt entführtes Baby zurückzuholen. Es dauert nicht lange, bis Hellboy drei Geister findet, die ihm helfen werden, sofern er einen lebenden Leichnam dort rechtzeitig bestattet, wo dessen eigentliches Grab liegt. Und so läuft der Agent nun mit einer verwesenden, plappernden Leiche auf dem Rücken durch die Gegend, wobei sich die Suche komplizierter gestaltet, als erwartet.

„Die Eisenschuhe“ erzählt auf wenigen Seiten von der Begegnung Hellboys mit einem Wesen der Anderswelt – oder einem Dämon –, der entgegen der üblichen Gepflogenheiten der unheilvollen Mächte keine Probleme mit Eisen zu haben scheint.

„Die Baba Jaga“ ist eine Hexe der russischen Folklore welche Menschen frisst und in einem seltsamen Haus auf Hühnerbeinen lebt. In der gleichnamigen Geschichte erfahren wir nun sowohl von ihrer Obsession, abgetrennte menschliche Finger zu zählen, als auch die Umstände, unter denen ihr Hellboy ein Auge nahm.

In „Weihnachten in der Unterwelt“ verspricht Hellboy der alten Mrs. Hatch auf dem Sterbebett, ihre verschwundene Tochter Annie in der Unterwelt zu suchen, dieser eine alte Blechdose zu überreichen und den Fluch zu beenden, der das Leben der Familie überschattet. Die Spur führt den Detektiv in ein altes Haus, zu vorchristlichen Gräbern und schließlich zu einem hinterlistigen Dämon.

„Ein Sarg in Ketten“ soll verhindern, dass der Teufel die Seele der Alten holt, die auf dem Sterbebett ihre bösen Taten reumütig beichtet. Doch der Teufel, der sich aufmacht die Seele der Totin zu holen, ist stärker als Hellboy und der rote Hüne muss einsehen, dass man nicht jeden Kampf gewinnen kann.

Der Tod eines befreundeten Paters, der in einem verfluchten Ort eine alte Kirche neu weihen wollte, sowie von 167 Dörflern, die allesamt im gleichen Augenblick einem blutigen Verbrechen zum Opfer fielen, führt Hellboy und seine Kollegin Kate Corrigan in der Geschichte „Die Wölfe von St. August“ in das Städtchen Griart. Hier kommen sie einem Unheil auf die Spur, dessen Wurzeln tief in der Vergangenheit des Ortes und der Familie Grenier liegen; einer Familie, deren Geheimnis so schrecklich ist, dass die Geschichte Griarts aus allen offiziellen Dokumenten ausradiert wurde.

Die letzte und längste Story – „Fast ein Gigant“ – schreibt Ereignisse fort, die im zweiten Band ihren Anfang nahmen. Liz Sherman verlieh einem Homunkulus, den das B.U.A.P.-Team in den Ruinen des Schlosses Czege fand, durch eine Berührung unabsichtlich Leben. Seit diesem Zeitpunkt schwinden ihre eigenen Kräfte, sodass es eine Frage weniger Tage ist, bis sie selbst sterben wird. Um sie zu retten, reisen Hellboy und Corrigan nach Rumänien, wo sie den Aufenthaltsort des künstlichen Wesens vermuten. Während die beiden Agenten dem Homunkulus immer näherkommen, quälen dieses Wesen Gewissensbisse ob seiner unabsichtlichen Tat. Doch dann taucht ein künstlicher Bruder auf, der mit seinen Machtsphantasien den Reumütigen in seinen Bann zieht.

Wollte man das Besondere an den „Hellboy“-Comics auf das Artwork und die inhaltliche Nähe zu den Trash- und Pulp-Publikationen des Amerikas der ersten Dekaden des letzten Jahrhunderts reduzieren, so macht dieser Sammelband endgültig deutlich, dass eine solche Betrachtung zu kurz greift. Denn Mignola gelingt das Bravourstück, auf wenigen Seiten und unter Bezugnahme auf die Sagenwelten und Mythen unterschiedlichster Kulturen – wobei hier nord- und osteuropäische als Inspirationsquellen an erster Stelle stehen – vollkommen eigenständige Geschichten zu entwickeln, denen man einen märchenhaften Charakter nicht absprechen kann und die auch den erwachsenen Leser in eine Zeit zurückführen, in der er „Hänsel und Gretel“ oder „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ mit angstvoller Aufmerksamkeit lauschte. Nicht nur dieser inhaltlich Aspekt, sondern auch die Art, wie Mignola im Artwork mit Licht und Schatten spielt oder seinen Figuren trotz aller Lockerheit in den Dialogen einen ernsthaften, gewichtigen, monolithischen Ausdruck verleiht, trägt dazu bei, dass viele Storys trotz der lockeren Sprüche des Ermittlers einen lakonischen und geradezu schwermütigen Eindruck hinterlassen.

Fazit: Das einmalige, ausdrucksstarke Artwork sowie der bei allem vordergründigen Trash schwermütige Unterton machen auch diesen vierten „Hellboy“-Band zu einem unvergleichlichen Comic-Erlebnis.