Malene Sølvsten: Ansuz - Das Flüstern der Raben (Buch)

Malene Sølvsten
Ansuz - Das Flüstern der Raben
(Ravnenes hvsiken)
Übersetzung: Justus Carl und Franziska Hüther
Titelbild: Mette Breth
Arctis, 2021, Hardcover, 798 Seiten, 22,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Skandinavien ist berühmt für seine dunklen Thriller. Der Arctis Verlag hat sich in den letzten Jahren auch und insbesondere mittels phantastischer Bücher aus dem fernen Norden einen Namen gemacht. Was also lag näher, als einen veritablen Bestseller unserer nördlichen Nachbarn, diesmal aus Dänemark, der hiesigen Lesergemeinde zu offerieren.

 

Wie sich es für ein modernes, potentiell erfolgreiches Jugendbuch gehört, sind die Ingredienzien zunächst bekannt und wohl erprobt. Wir haben unsere junge Erzählerin, Anne genannt, die jede Menge Probleme hat. Eine Außenseiterin, ein Waisenkind, die in ihren 17 Jahren viel Leid und sehr wenig Geborgenheit und Glück hat erleben dürfen.

Dazu gesellen sich die üblichen Mobbing-Heimsuchungen in der Schule, ein neues Schuljahr und, oh Wunder, plötzlich und unerwartet, neue Freunde. Ein Beau, dazu eine faszinierende Freundin, deren Eltern irgendeine Verbindung zu Annes Mutter hatten, dazu ein Hausmeistergehilfe aus dem Jugendgefängnis - und Monster, Annes riesiger Hund und Beschützer (als ob sie einen Beschützer benötigen würde...).

Dann kommt es, wie kann es anders sein, zu Morden an jungen Frauen. Auf den Leichen hinterlässt der Mörder die Rune Ansuz. Die Kleinstadt in Nordjütland wird zum Tatort nicht nur der Morde, sondern auch des verheißenen Weltuntergangs - Ragnarök steht bevor, und Anne und einzig ihre mystische Gabe, Ereignisse zu sehen, stehen gegen dagegen…


Nun, zunächst einmal hat der potentielle Leser eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden, ist das Buch doch mit fast 800 Seiten ein Ziegelstein, der Ehrfurcht einflößt. „Werde ich so lange überhaupt durchhalten, zumal die 1 auf dem Buchrücken darauf hinweist, dass das Werk wohl kein Einzelroman sein dürfte?“ Wer aber dann diese Hürde nimmt und mit der Lektüre beginnt, der wird schnell in die Handlung gezogen.

Atmosphärisch hat mich der Plot ein kein wenig an die legendäre „Twin Peaks“TV-Serie erinnert, wobei die Handlung ganz andere Wege geht. Schnell wird der Leser mit unserer Erzählerin warm, versucht aus den Morden und dem Figurenkabinett schlau zu werden. Unsere Protagonistin erschließt sich uns unschwer, zumal wir wohl leider alle entsprechenden Heimsuchungen - wenn auch hoffentlich nicht derartig drastisch - selbst erlebt haben. Dass sie sich nicht unterkriegen lässt, dass sie Nehmer-Qualitäten beweist und auch zurückschlägt, macht sie für uns zur idealen Identifikationsfigur.

Anders sieht es da mit ihren neuen Freunden aus; kann sie ihnen trauen, was führen sie im Schilde, welche Geheimnisse tragen sie mit sich herum? Und was haben die Albträume über Morde und Runen mit Anne zu tun? Fragen, auf die das Buch eine letztlich überraschende, aber auch folgerichtige Antwort parat hält.

So ist dies zunächst eher ein Psycho-Thriller mit phantastischen Elementen als ein Fantasy-Roman, ein Buch aber, das den Rezipienten für längere Zeit spannend zu fesseln weiß.