Bethany Clift: Die Letzte macht das Licht aus (Buch)

Bethany Clift
Die Letzte macht das Licht aus
(Last out at the party, 2021)
Übersetzung: Lilith Winter
Heyne, 2021, Paperback, 464 Seiten, 16,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Die Autorin schildert im Nachwort glaubhaft, dass ihr die Idee zu dieser Geschichte bereits 2018 auf einer Reise durch England gekommen sei, als sie in nächtlicher Einsamkeit mit dem Auto angehalten und sich dann vorgestellt habe, sie sei der letzte lebende Mensch auf der Welt.

Danach hatte sie zu schreiben begonnen und war irgendwann von der Ausbreitung der aktuellen Pandemie des Coronavirus eingeholt worden, was sie dann nach und nach in die Vorgeschichte der Erzählung integriert hatte.

Die Pandemie im Buch nennt sich jedoch 6DM (was für „six days maximum“ steht, der höchsten Anzahl an Tagen, die ein Infizierter noch zu leben hat), tritt erstmals 2023 in den USA auf und hat eine Sterbequote von nahezu 100%.


Und so findet sich die mittelalte und leider namenlose Protagonistin aus London bald alleine in der riesigen City wieder und weiß gar nicht, wie ihr geschieht. Geschockt und überfordert zieht sie sich in die Drogensucht zurück und taumelt tagelang durch die inzwischen nahezu ausgestorbene Stadt. Erst nach und nach kommt sie zu sich, rettet einen Golden Retriever, der sich ihr anschließt (oder ist es nicht eher anders herum?), versucht andere Überlebende zu finden und kommt zu einer erschreckenden Erkenntnis (die hier aber nicht verraten werden soll!).


Clifts Roman ist eine erzählerische Wucht, was umso erstaunlicher ist, handelt es sich hier doch um einen Debütroman (allerdings einer schon etwas reiferen Autorin, was man wohltuend merkt).

Vor allem die bildhaften und auch olfaktorischen Beschreibungen zeigen, dass Clift eine Meisterin der Sinne ist, wobei sie nicht nur visuell und stilistisch überragend erzählt (dank auch an die tolle Übersetzung von Lilith Winter), sondern auch noch, trotz des ausgelutschten Themas des Unterganges der menschlichen Zivilisation, eine packende Geschichte entwickelt.

Die schwach-starke und sozial unbeholfene Protagonistin, deren Leben vor der Katastrophe nicht zum Besten stand (was aber erst nach und nach im Verlauf der Geschichte von der Autorin, fast im Stile eines Kriminalromans, enthüllt wird), wächst mit ihren Aufgaben immer mehr über sich hinaus.

Einzelne Grenz-Erfahrungen (fast erfroren in schottischen Schneewehen, verloren im Eissturm auf einer einsamen Autobahn ohne Sprit) lassen die arme Frau tatsächlich psychisch wachsen und reifen, und der Leser wird unmittelbarer Zeuge dieser Veränderungen.

Bethany Clifts Erstling gehört meiner Meinung nach zu den besten Post-Doomsday-Romanen, die ich jemals gelesen habe (siehe hierzu meine Best-of-Liste im Anhang der Besprechungen von Adrian J. Walkers Roman „Am Ende aller Zeiten“ oder Simon Stalenhags „The Electric State“).

Ein umwerfendes Buch, beängstigend, erschreckend, fulminant erzählt, und vor allem nichts für schwache Nerven, ein krasser „Runterzieher“ für alle feinnervigen oder depressiven Menschen, für die anderen eine wunderprächtige Lektüre.

Wer sich nicht vor dem deprimierenden Sujet fürchtet, dem sei „Die Letzte macht das Licht aus“ (endlich mal ein deutscher Titel, der viel besser ist als der Originaltitel) ans Herz gelegt. Möglicherweise ein Meisterwerk! Vergleichbar nur mit Emily St. John Mandels grandiosem Roman „Das Licht der letzten Tage“, und ähnlich bitter-süß und melancholisch. Wer also traurige und beängstigende Geschichten liebt, der greife hier zu!