Ralf Isau: Der verbotene Schlüssel (Buch)

Ralf Isau
Der verbotene Schlüssel
Titelillustration von Nicole Jordan
cbj, 2010, Hardcover, 506 Seiten, 18,99 EUR, ISBN 978-3-570-13834-2

Von Carsten Kuhr

Ralf Isaus Bücher sind immer etwas Besonderes. Nicht nur was er schreibt, auch das „wie“ unterscheidet ihn und seine Werke von dem Gros, das uns die deutschsprachigen Verlage offerieren. Jedes seiner Bücher will dem Leser etwas mitgeben, ihn zum nach- und weiterdenken anregen. Insofern sind seine Romane auch nicht unbedingt für den schnellen Gebrauch konzipiert, muss der Rezipient Zeit mitbringen, bis sich die Geschehnisse entfalten und die Geheimnisse lösen.

Dass man nach ein paar wenigen Seiten weiß, wo die Reise hingeht, wird man bei Ralf Isau nicht finden. Insofern hat der Verfasser es im modernen Verlags-Business auch ein bisschen schwe gehabt. In der Nachfolge Michael Endes bei Thienemann gestartet kam er mit seinen Erwachsenen-Thrillern zunächst zu Lübbe, bevor er inzwischen bei Piper heimisch wurde. Die eigentlich gedeihliche Zusammenarbeit mit Thienemann endete, und der sympathische Autor fand bei cbj, dem Jugendbuchableger von Random House, eine neue verlegerische Heimat. In seinem ersten Roman für cbj nimmt er sich auf seine ganze eigene, bewusste Art eines Themas an, das gerade in unserer modernen Welt immer mehr an Bedeutung gewinnt – die Zeit. Zeit, die wir haben oder nicht haben, Zeit, die wir sinnvoll und bewusst nutzen sollten, Zeit, die uns fehlt, die uns wegläuft, deren vermeintliches Fehlen uns stresst. Verpackt hat er seine nachdenkenswerten Ansätze einmal mehr in eine packend Handlung.

Die fünfzehnjährige Sophia reist aus ihrem Schweizer Internat nach Berlin. Nachdem sie erst vor ein paar Monaten beide Elternteile aufgrund eines plötzlichen Herzstillstands verloren hat, muss sie nun erneut einen schweren Gang antreten. Dass ihr ihr Großvater persönlich nicht bekannt war, hilft da auch nicht viel, denn auch der alte Mann starb überraschend in seiner Wohnung an einem Herzstillstand. Wiederholt sich hier die Geschichte, oder ist dies ein Hinweis auf – ja auf was überhaupt? Der Notar, der ihr das Testament aushändigt, übergibt ihr in wohlgewählten, mahnenden Worten zwei ganz besondere Erbstücke. Das eine ein unbezahlbare Fabergé-Ei, das andere eine handgeschrieben Kladde, in der ihr Opa sie eindringlich davor warnt, den Inhalt eben jenes Eis auszupacken und zu erforschen. Dass er damit und mit dem phantastischen Lügenmärchen von einer Maschine, die die Zeit selbst beeinflussen kann, von einer anderen Welt und Oros, dem Herrn der Zeit, der sich endgültig zum Herrn der Welt aufschwingen will, ihre Neugier weckt, ist klar.

Dass sich die Geschichte aber als erschreckend wahr erweist, erfährt Sophia, als sie den verbotenen Schlüssel ausprobiert und auf den Spuren der versunkenen Insel Ys das Reich Mekanis besucht. Hier, in einem Land, in der Gefühle obsolet sind, in der mechanische Wesen und der Stundenwächter herrschen, entdeckt sie Theo, einen seit Jahrtausenden in Mekanis gefangenen Jungen. Mit und durch ihn erfährt sie die Hintergründe um das Nürnberg-Ei und stellt sich mutig ihrem Schicksal...

Erneut hat es Ralf Isau geschafft, mich die Zeit vergessen zu lassen und an seine Seiten zu bannen. Wie immer weiß er nicht nur ein spannendes Garn zu spinnen, sondern auch viel Wissenswertes zu vermitteln. In den Erinnerungen Theos erfahren wir so viel über das Leben und Denken im antiken Römischen Weltreich. Neben dieser historischen Ebene entführt uns der Verfasser in die Welt ohne Gefühle. Mekanis, der Name ist hier Programm, eine Welt, in der mechanische Pressen und Krieger, gigantische Monstren und ihr herz- und gefühlloser Herrscher agieren, in der für Gefühle kein Platz ist. Gerade in dem Kontrast zur Handlung in der Jetztzeit und der Erinnerungen Theos wirkt die sterile und gefühlskalte Welt umso abschreckender.

Verpackt in eine fesselnde Handlung, stilistisch gelungen, warnt der Autor hier vor der immer mehr um sich greifenden Gefühlskälte. Das ist Anspruch und Spannung, verbindet Phantasie mit einer nachvollziehbaren Warnung und ist nicht nur für jugendliche Leser ein Erlebnis.