Grusel Thriller 2: Der Todesengel, Ina Elbracht (Buch)

Grusel Thriller 2
Der Todesengel
Ina Elbracht
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Blitz, 2020, Taschenbuch, 192 Seiten, 12,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Das Lindgrün des Stoffs passte nicht zur Jahreszeit und dem bunten Laub auf den Bäumen vor den Fenstern des Salons. Statt eines frühlingshaften Zaubers ging ein Schaudern davon aus, das mich bei dem Gedanken überkam, wie es sich wohl anfühlen mochte, Kleidung zu tragen, von der man nicht wusste, ob man, wenn die richtige Saison für sie käme, überhaupt noch am Leben war.“

Die abgebrannte Immobilienmaklerin Helene Gniffke soll im Auftrag ihrer neuen Mandantin Gerda von Grope einen Käufer für deren Haus im Kölner Villenviertel Braunsfeld finden. Die Eigentümerin scheint etwas spleenig, doch Helene kann es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Also ignoriert sie ihr Bauchgefühl und den merkwürdigen Umstand, dass im Netz keinerlei Infos zu Frau von Grope zu finden sind. Tatsächlich hat die skurrile alte Dame anderes mit Helene im Sinn, als ihre Geschäfte von ihr erledigen zu lassen.

„Ich sah mein eigenes Gesicht nun dicht vor mir. Und dann sah ich noch etwas dahinter hervorblitzen, das uralt sein musste. Es war ein Antlitz, das zwar menschlich schien, an dem aber alles falsch war, etwa wie bei einer dilettantisch modellierten und als unbrauchbar verworfenen Plastik.“


2019 hatte die Autorin Ina Elbracht bereits mit dem gemeinsam mit Historiker Alexander Schmalz verfassten Roman „Klunga und die Ghule von Köln“ unter den Phantastik-Liebhabern für Aufsehen gesorgt; das Pseudonym Adam Hülseweh wurde in dem Buch schon direkt aufgelöst. Klunga überraschte nicht nur damit, eine Lanze für die Ghule zu brechen, die bei „John Sinclair“ und Co. immer als stinkende, amorphe Ekelgestalten dargestellt werden, sondern zudem durch liebevolle Charakter-Zeichnungen.

Auch „Der Todesengel“ ist mehr, als es ein Roman mit dem pulpigen Signet „Grusel Thriller“ erwarten lässt. Fast scheint es der Autorin Spaß zu machen, ihre Leser dahingehend an der Nase herumzuführen und sich schelmisch lächelnd in ihrem Understatement zu sonnen. Der unaufdringliche Humor spiegelt sich auch in den Kapitelüberschriften, allesamt Schlagertitel, wider.

Mit der Ansiedlung ihrer Geschichte im Köln der Gegenwart gaukelt Ina Elbracht zunächst tatsächlich durchschnittlichen Groschenheftgrusel vor. Immerhin ist die mit Galgenhumor gesegnete Protagonistin Helene Gniffke - torkelnd am Rande der Verzweiflung und des Ruins - gut gezeichnet, und der etwas schnoddrige Ton macht das Ganze sehr sympathisch.

Doch plötzlich beginnt die Autorin, erst einmal völlig zusammenhanglos, eine andere Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen. Diese entwickelt sich zunächst zur Tragödie, um dann sogar märchenhafte Elemente aufzugreifen.

Dadurch wird „Der Todesengel“ deutlich vielschichtiger als es zu Beginn noch den Anschein hatte. Das teilweise groteske Ambiente, das in Gerda von Gropes Haus herrscht, und die befremdlichen Allüren der Alten sorgen außerdem für bizarre Grusel-Atmosphäre. Da fühlt man sich im besten Sinne an die Horror-Romane von Hugh Walker erinnert.

Natürlich ist fast klar, dass die Vergangenheitshandlung irgendwie im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Ereignissen stehen muss. Die Erzählung springt nun immer wieder in den Zeiten hin und her, und die Andeutungen, wie die Ereignisse zusammenhängen, häufen sich. Dabei schafft es die Autorin bravourös, Teile des Gesamtbilds lange bedeckt zu halten. Das Puzzle, das zeigt, was hier wirklich vor sich geht, setzt sich tatsächlich erst zum Ende auf fabelhafte Weise zusammen.