Frankensteins Schoß (Comic)

Frankensteins Schoß
(Warren Ellis‘Frankenstein’s Womb, 2007)
Text: Warren Ellis
Titelbild: Felipe Massafera
Zeichnungen: Marek Oleksicki
Übersetzung: Jens R. Nielsen
Dantes, 2019, Paperback, 48 Seiten, 9,00 EUR

Rezension von Elmar Huber

Sommer 1816: Mary Wollstonecraft Godwin, ihre Schwägerin Claire Clairmont und der Dichter Percy Shelley, Marys zukünftiger Ehemann, befinden sich mit einer Kutsche auf dem Weg an den Genfer See, wo sie von George Gordon „Lord“ Byron erwartet werden. Auf ihrem Weg durch den Odenwald passiert die Gruppe Burg Frankenstein, und Mary, eine Liebhaberin von Schauergeschichten, lässt es sich nicht nehmen, die Ruinen zu betreten. Sie wähnt das verfallene Gemäuer verlassen, doch im Inneren der Ruine macht sie eine ungewöhnliche Bekanntschaft.

 

Die Zusammenkunft von Byron, Shelley, Godwin, Clairemont und John Polidori im Jahr 1816, dem „Jahr ohne Sommer“, in der Villa Diodata am Genfer See ist wohl jedem Phantastik-Liebhaber ein Begriff. In den Tagen und vor allem den Nächten dieser Zusammenkunft sollen sich die Freigeister Gruselgeschichten vorgelesen und schließlich den Entschluss gefasst haben, selbst Schauergeschichten zu schreiben. Es entstanden Polidoris „Der Vampyr“ und vor allem Mary Shelleys Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“.

In Warren Ellis‘ Welt hat Mary Shelley ihre Idee von der Schöpfung künstlichen Lebens in eben jener Ruine ereilt, und zwar in Gestalt eines geheimnisvollen, künstlichen Menschen, der über Mary Bescheid zu wissen scheint und die junge Frau in eine andere Zeit und Welt entführt.

Ellis vermengt in „Frankensteins Schoß“ Einiges, was als Quelle des „Frankenstein“-Mythos betrachtet wird. Von der Theorie, dass der Theologe und Alchemist Johann Konrad Dippel maßgeblich für „Frankenstein“ Pate stand, bis zu Marys eigener Familiengeschichte, die ihre Spuren in dem Roman hinterlassen hat.

Damit hat Warren Ellis, kraftvoll und filigran zugleich, wieder ein unfassbar dichtes Kabinettstück erschaffen, das dem Leser ebenso wie Mary auf jeder Seite erneut ein Staunen abringt. Die ebenso starken und wunderbar düsteren Gothic-Zeichnungen im Stil alter Horror-Comicmagazine wie „Vampirella“ tun ein Übriges, den geneigten Leser förmlich in die Seiten hinein zu ziehen.

Wie üblich beim Dantes Verlag liefert Übersetzer Jens Nielsen wieder einen hervorragenden Fan-Service, indem er (Insider-) Begriffe erklärt und auf die sprachlichen Feinheiten von Original und Übersetzung eingeht.

Wie schon „Äthermechanik“ ist auch „Frankensteins Schoß“ wieder ein kleines Meisterwerk aus Warren Ellis‘ Apparat-Schmiede.