Sandman Ouvertüre 1 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 18. März 2021 22:28

Sandman Ouvertüre 1
(Sandman: Overture 1-3, 2013/2014)
Text: Neil Gaiman
Zeichnungen: J. H. Williams III.
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Panini, 2015, Paperback, 124 Seiten, 16,99 EUR
Rezension von Elmar Huber
Zwanzig Jahre nachdem Meistererzähler Neil Gaiman seine bahnbrechende Serie „Sandman“ abgeschlossen hat, kehren die Ewigen zurück. „Ouvertüre“ soll Vorgeschichte und Abschluss zugleich sein; die Geschichte endet, wo „Sandman“ mit „Präludien & Notturni“ 1988 begonnen hat.
Alles ist, als wären Dream, seine Geschwister und seine Entourage nie weg gewesen, und obwohl die Serie damals ordentlich beendet wurde, gelingt es Gaiman doch, in „Ouvertüre“ nachträglich einige Samen zu pflanzen, die schon längst aufgegangen sind. Zum Beispiel wird plausibel, warum Dream derart geschwächt war, sodass der Mystiker Roderick Burgess ihn gefangennehmen konnte, das Ereignis, mit dem die „Sandman“-Serie beginnt.
„Ouvertüre“ bietet alles, was „Sandman“ zu seiner Zeit groß, großartig und einzigartig gemacht und den New Wave in die Comicwelt gebracht hat. Die Texte sind phantastisch, anspruchsvoll, das Artwork von J. H. Williams III. („Batwoman“) ist sensationell, atemberaubend und derart überbordend, dass die Comicseiten eigentlich viel zu klein für die Bilder sind, von der meisterlichen Farbgebung von Dave Stewart gar nicht zu reden. Klassische Panelrahmen sucht man nahezu vergeblich; es wird mit Form und Schriftart der Sprech- und Denkblasen gespielt, und der Band hat sogar einige ausklappbare Seiten.
Äußerlich ist also alles wie früher, allein das magische Gefühl der ‚ersten Begegnung‘ mit dem Traumkönig will sich nicht wieder einstellen. Wo sich der Leser früher mehr als bereitwillig in die sich stets erweiternde Welt der Ewigen ziehen ließ, um hinter jeder Ecke ein kleines Wunder zu entdecken, wirkt „Ouvertüre“ trotz der formalen Meisterschaft überwiegend steril. Beinahe als müsste eine Checkliste an Leser-Erwartungen abgehakt werden. Welche (Lieblings-) Charaktere müssen auftreten? Wieviele abgefahrene Ideen und surreale Dialoge können untergebracht werden? Das hat 1988 wunderbar funktioniert, als noch nichts Vergleichbares auf dem Markt war. Heute muss man attestieren, dass „Sandman“ eben da hängen geblieben ist und sich nicht weiterentwickelt hat.
Als Bonus zu den drei Originalheften gibt es ein ordentliches Paket an Zusatzmaterial, bestehend aus Variant-Covern, Interviews und Werkstattberichten. Sicherlich zum Großteil interessant und beeindruckend. Ob man allerdings dringend wissen muss, welche Musik J. H. Williams III. beim Zeichnen gehört hat, kann sich jeder Leser selbst beantworten.
„Sandman“ und die Ewigen sind optisch fulminant zurück. Die Erzählung dagegen wirkt emotionslos.