13 Brains of Zombies (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 08. Februar 2021 01:22

13 Brains of Zombies
Titelbild: Azrael ap Cwanderay
Hammer Boox, 2020, eBook, 4,99 EUR (auch als Paperback erhältlich)
Rezension von Elmar Huber
„Als das begonnen hatte, was sie gemeinhin als die Wandlung bezeichnete, hatte sie Plastikplanen vor den Balkon gespannt, um sich vor den Blicken derer zu verbergen, die seither die Straßen bevölkerten und nur darauf warteten, dass sie sich zeigte. Die schwarzhaarige Frau erschrak, weil die Plane träge dem Druck des lauen Windes nachgab und für einen kurzen Moment den Eindruck erweckte, als würde jemand von der anderen Seite dagegen drücken.“ (Mario Steinmetz: „Headphones”)
Nici Hope: „Hunger”
Bissspuren an ihrem Körper deuten auf eine wilde Nacht hin, an die sie sich allerdings nicht mehr erinnern kann. Drängender wird jedoch ihr unerklärlicher Appetit auf Fleisch… als Vegetarierin. Nach einer unschönen Szene im nahen Metzgerladen drückt ihr ein Fremder ein Kärtchen in die Hand. Eine Einladung zur nächste Gourmet Party der RAW Society.
Mario Steinmetz: „Headphones“
Nur die Kopfhörer auf ihren Ohren machen es ihr möglich, die infernalischen Geräusche, das andauernde Brüllen der Verwandelten, den Wahnsinn auszublenden. Die alten Dinger, die sie nur zufällig gefunden hat, packen alles um sie herum in betäubende Stille. Doch was ist, wenn sie die Kopfhörer jetzt abnähme und tatsächlich überall nur noch Stille herrschte?
Lothar Nietsch: „Deathpoint“
Statt sich wie alle anderen Überlebenden in den Kellern zu verkriechen, haben Mike und seine Jungs das Spiel „Deathpoint“ ersonnen. Unfreiwillige Kandidaten müssen in einem Kampf auf Leben und Tod und unter den wachsamen Augen (und Waffen) der Crew gegen Untote antreten. Heute hat ihnen das Schicksal einen ganz besonderen Kandidaten in die Hände gespielt.
Alexander Grun: „(De-)Generation-Z: Erlösung“
Nicht nur, dass der Mangel an brauchbarem Menschenhirn inzwischen eklatante Ausmaße angenommen hat und damit für das langsame Aussterben der Untoten sorgt, jetzt hat sich auch noch eine Gruppe Menschen zusammengerottet, die mit primitiven Waffen gnadenlos Jagd auf die Zombies machen. Darunter sogar jemand, den Ted aus seinem früheren Leben kennt. Schmerzhaft brechen die Erinnerungen über ihn herein.
Marcel Hill: „Pamela“
Entgegen der landläufigen Meinung sterben Zombies nicht, wenn man sie enthauptet oder ihr Gehirn zerstört wird. Auch die Verwesung geht viel langsamer vonstatten als immer angenommen. Zwei Umstände, die sich phantasiebegabte Chirurgen zunutze machen und Untote zu Sex-Spielzeug für jegliche perverse Neigung umbauen.
Markus Kastenholz: „Zombie-Night“
Die ersten Krankheitszeichen zeigen sich natürlich am Samstag, gerade als die Apotheken geschlossen haben. So schleppt man sich zur Notfallsprechstunde, und danach mit schlurfenden Schritten durch die Innenstadt zur Notapotheke, wo man mit benebeltem Gehirn noch einige merkwürdige Beobachtungen macht.
Azrael ap Cwanderay: „Schrödingers Zombie“
„Man ist, was man isst“, muss der untote Ebenezer Hickory erkennen, nachdem er das Gehirn seines alten Volksschullehrers verspeist hat. Dank seines neu erwachten Intellekts rührt der ehemalige Fleischwarenfachverkäufer in der nahegelegenen Apotheke kurzerhand ein Mittel zusammen, um seine Artgenossen in Menschen zurückzuverwandeln. Doch nur ein kleiner Snack zwischendurch kann die geplante Weltenrettung zunichtemachen.
Torsten Scheib: „Bester Freund“
Ein Mann und sein Hund, beste Freunde. Und um sie herum eine Welt, die in rasendem Tempo dem Wahnsinn anheimfällt. Die Umstände machen es notwendig, sich zu trennen. Wird es jedem für sich gelingen, in dieser neuen Welt zu überleben? Und werden die Freunde wieder zusammenfinden?
Doris E. M. Bulenda: „Erwachen im Wald“
Ein Fuchsbiss löst eine unerklärliche Gier nach Blut und Fleisch aus. Doch wenn man sich nur von Blut, statt von Fleisch ernährt, scheint dies die Verwandlung zu verlangsamen. Man bleibt noch halbwegs Herr seiner Sinne, um so etwas wie rationale Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel, sich in ein Auto zu setzen, um noch schnell genug die nächste Stadt voller Menschen zu erreichen.
Jean Rises: „The Splattering“
Fieberhaft wird an einem Impfstoff gegen die Coronavirus-Pandemie geforscht. Hoffnung bringt ein Serum, das aus einem Bärtierchen gewonnen wird und sich die nahezu unendliche Widerstandskraft dieser Spezies zunutze machen soll. Doch der Impfstoff wirkt anders als er soll, und in einem Hochhaus in London nimmt eine weit schlimmere Todeswelle ihren Anfang.
Alida Gersonde: „Alex“
Einige Zeit nach dem Ausbruch hat man sich geeinigt, dass Menschen und Zombies doch eigentlich ganz normal untereinander leben können. Es gibt sogar „Chamäleons“ unter den Untoten. Solche, die von Menschen kaum zu unterscheiden sind. Eine davon wird Alex zum Verhängnis, als er sich, randvoll mit Alkohol, im Treppenhaus schockverliebt und die hübsche, aber etwas blasse Anna knutscht.
Fabienna Seven: „Kein Schwanz ist so hart wie das Leben“
Von seinem einsamen Gefechtsstand aus soll Theo wenigstens 20.000 Zombies abknallen, bevor er wieder in die Zivilisation zurückdarf. Dann erblicken seine Augen plötzlich eine dralle und vor allem lebendige Blondine, die sich zwischen den Untoten auf seinen Bunker zubewegt. Für ihre Rettung würde sie sich sicher erkenntlich zeigen.
Erik R. Andara: „Was Freundschaft am Ende bedeutet“
Nach neun Monaten im Bunker kamen Vlad und Sergeij wieder an die Oberfläche. Seitdem versuchen sie nur, am Leben zu bleiben. Auf ihrem Weg finden sie ein kleines Mädchen auf der verzweifelten Suche nach ihrer Familie, das sie fortan begleitet. Doch die Kleine und die Begierden, die sie weckt, werden zur Zerreißprobe für die Freundschaft der Männer.
„Ich muss meinen BH verloren haben, denn unter dem Blusenstoff ist nur meine nackte Haut. Frech strecken sich meine Nippel dem Spiegelbild entgegen. Frech, verkrustet und… blau? Noch einmal wandert mein Blick auf die Bissspuren an der Schulter, dann zurück zu meiner rechten Brust. Tatsächlich. Ein Kreis aus Zahnabdrücken, getrocknetem Blut und der Schatten eines blauen Fleckes rahmen meine Brustwarze ein. Der Typ hat mich gebissen. Zweimal. Und nicht gerade zaghaft.“ (Nici Hope: „Hunger“)
Auch wenn man nicht gerade verzweifelt auf den nächsten Beitrag von Zombie-Literatur gewartet hat, muss man attestieren, dass „13 Brains of Zombies“ insgesamt gelungene Überzeugungsarbeit in Sachen Untoter liefert. Auf jeden Fall kann man der Anthologie aus dem Hause Hammer Boox keine Eintönigkeit vorwerfen. Ganz im Gegenteil.
Wie es bei einer Kurzgeschichten-Sammlung allgemein der Fall ist, gibt es Beiträge, die den persönlichen Geschmack besser treffen, und andere, die damit weniger Glück haben. „13 Brains“ bietet auf jeden Fall eine gute Mischung, die das Thema auf verschiedenste Arten angeht. Eine weitestgehend härtere Gangart wird schon durch das Thema vorgegeben.
Natürlich wird die Gore- und Action-Schiene bedient; Menschen kämpfen gegen Übermächte Untoter um ihr Überleben, oder Zombies dienen als gefühllose Spielfiguren, an denen man sich bedenkenlos abreagieren kann; wahlweise dienen sie auch als Sex-Spielzeug für die besonderen Ansprüche.
Seit „Die Nacht der lebenden Toten“ und „Zombie“ („Dawn of the Dead“) schreibt man dem Zombiefilm Gesellschafts- und Konsumkritik zu. „13 Brains“ macht hier weiter: Zuchtmenschen, deren Gehirne als Nahrung für die Untoten herhalten müssen, könnte man durchaus als Kommentar auf das menschliche Verbrauchsverhalten lesen. Und auch ein beliebtes Staatsoberhaupt bekommt - in Gestalt eines gewissen Ronald Bump - sein Fett weg.
Mario Steinmetz und Erik Andara arbeiten aus der Situation kleine Dramen heraus, bei denen das Zombie-Geschehen mehr Hintergrundkulisse als Story-Driver ist. Auch Torsten Scheib liefert eine unerwartet zu Tränen rührende Erzählung aus der Zombie-Zone Ludwigshafen ab.
Der humorige Gegenpol kommt ebenfalls nicht zu kurz. Bei Verlagschef Markus Kastenholz‘ „Zombie-Night“ bleibt kein Auge trocken, und auch „Schrödingers Zombie“ zaubert ein Grinsen ins Gesicht.
Alles in allem hat Hammers „13“-Anthologiereihe mit „13 Brains“ ein weiteres Mitglied in seinen Reihen, das seine Leser mit knackigen Beiträgen und einer gelungenen Stil-Mischung überzeugen kann. Leerlauf kommt da garantiert nicht auf.