Alexander Kühl: Du sollst nicht töten (Buch)

Alexander Kühl
Du sollst nicht töten
Titelbild: Giusy Amé
Blutwut, 2020, Taschenbuch, 218 Seiten, 14,95 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Auch wenn der Anblick etwas anderes vermuten ließ, drückte sie zwei Finger an den Hals der Frau, um einen vermeintlichen Puls zu messen. Die Feststellung, dass es sich um eine Leiche handelte, war aber nicht der Grund, weshalb die Ermittlerin die Augen aufriss. Auf dem Unterleib der Toten lag eine Art Teller… mit einem menschlichen Gesicht.“

Eine Vermisstenmeldung führt Kurt Stolze und Paula Reichmann ins Haus des pensionierten Mediziners Lutz Franke, wo sie in einen sprichwörtlichen Albtraum stolpern. Im Keller des Hauses finden die LKA-Beamten nicht nur die verschwundene Ehefrau und den Sohn des Arztes - beide tot und mit Spuren grausamster Verstümmelungen und Folterungen -, hinter einer Geheimtür erwartet sie außerdem ein wahres Schlachthaus. Opfer, deren Verschwinden an die dreißig Jahre zurückreicht. Doch warum hat Franke plötzlich mit dem Morden aufgehört und jetzt auf einmal Frau und Sohn abgeschlachtet? Diese Frage muss zunächst offenbleiben; Franke sitzt unzurechnungsfähig in der Psychiatrie.

Drei Monate später tauchen in Berlin weitere Leichen ohne Gesicht auf. Für Stolze und Reichmann wird schnell klar, dass der wahre Mörder noch auf freiem Fuß ist.

„Im Karton lagen unzählige Polaroidfotos. Kurt überflog einige davon und stellte rasch fest, dass es sich hierbei wieder um chronologische Vorher-Nachher-Bilder handelte, die bestimmte Eingriffe dokumentieren sollten. Gänsehaut überzog seinen Rücken, als er zerschnittene Gesichter und geöffnete Unterleiber erkannte. Die Fotos waren von der Kamera automatisch datiert worden und stammten demnach allesamt aus den Achtzigerjahren.“


Der noch junge Blutwut Verlag bleibt unvorhersehbar. Mit Alexander Kühls „Du sollst nicht töten“ hat man dort einen rasanten Thriller im Programm, der zum sogenannten „Legends Universum“ des Autors gehört, in dem auch die „Runaways“-Reihe (Redrum-Books, BoD) und „Stone“ (BoD) angesiedelt sind. Vorkenntnisse sind jedoch nicht erforderlich.

Der Roman wirft Ermittler und Leser gleich in ein blutiges und abartiges Szenario, das zunächst keinen nennenswerten Unterschied zu ähnlichen Thrillern härterer Gangart bietet. Der Schuldige scheint den Beamten auch gleich in die Hände zu fallen, doch dass noch etwas kommen muss, wird schon beim Anblick der Seitenzahl deutlich. Der Fall „Face-Catcher“ hat gerade erst begonnen.

Was nun folgt, verlangt Stolze und Reichmann alles ab. Die Beamten stoßen auf eine Spur vermisster Personen, Ärzte, Patienten, Polizisten, auf illegale Menschen-Experimente und eine nationalsozialistische Geheimorganisation.

Der Thriller legt von Anfang an ein hohes Tempo vor und zieht nochmals an, sobald die Ermittler auf der Spur des Täters sind. In schneller Folge fallen die Puzzle-Steine in ihre Plätze und fügen sich zu einem unvorstellbaren Gesamtbild. Auf den letzten Seiten überholt sich der Roman dann beinahe selbst.

„Du sollst nicht töten“ ist auf jeden Fall gut geschrieben, ein Pageturner, hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf und schleudert den Leser geradezu durch die dichte Handlung. Einige Charakter-Momente sorgen dafür, dass es nicht zu trocken wird. Und einen Insider-Gruß an Verlagskollegin Nici Hope hat Alexander Kühl auch noch übrig.

So ist dies ein geradliniger und knackiger Thriller der härteren Gangart. Für Genre-Freunde eine absolute Empfehlung.