Andrew Hunter Murray: The Last Day (Buch)

Andrew Hunter Murray
The Last Day
(The Last Day, 2020)
Übersetzung: Michaela Link
Piper, 2020, Paperback, 446 Seiten, 17 EUR, ISBN 978-3-492-70584-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Der vorliegende Roman ist das Erstlingswerk des englischen Autors Andrew Hunter Murray, der hier, ganz in der Tradition seiner britischen Landsleute, die Erde beziehungsweise deren menschliche Zivilisation untergehen lässt.


Durch den Vorbeiflug eines ausgebrannten Sterns, eines sogenannten Weißen Zwergs, ist die Umdrehung der Erde verlangsamt und schließlich sogar angehalten worden. Natürlich hatten die Briten Glück und ihre Insel der „Splendid Isolation“ kommt genau zwischen den beiden Seiten (Tag und Nacht) zum stehen. Während also der eine Teil der Welt verbrennt, versinkt der andere in Dunkelheit und Frost.

Als nun die vielen Menschen in die Zwielichtzone strömen möchten, wo einzig und alleine Überleben möglich scheint, schotten die Briten sich konsequent ab und versenken alle Flüchtlingsboote mit Gewalt. Nur einige Schweizer und einige US-Amerikaner finden, gegen Zahlung größerer Werte oder durch alte Beziehungen, Zuflucht auf den Britischen Inseln.

Einer der für diese Politik Verantwortlichen ist der Wissenschaftler Edward Thorne, der aber irgendwann, sehr abrupt, die Regierung verlässt. Als Thorne, Jahrzehnte später, im Sterben liegt, lässt er seine ehemalige Schülerin Ellen Hopper zu sich kommen, die ihn eigentlich gar nicht mehr aufsuchen möchte, da sie ihm die nahezu unmenschlichen Entscheidungen der Politiker in der Krise vorwirft.

Doch der ehemalige Professor vertraut ihr an, dass er in Besitz eines großen, erschütternden Geheimnisses ist, welches Hopper aber erst aufspüren muss, da Thorne stirbt, kaum dass Ellen ihn aufsucht hatte.

Verfolgt vom Geheimdienst und bedroht von der ständigen Gefahr, dass die Zivilisation auf den Britischen Inseln ebenfalls kollabiert, macht sich Hopper auf die Suche nach einem Geheimnis, welches mutmaßlich ihr Leben vernichten würde, sollte jemand von ihrem Wissen erfahren...


Getragen wird die Geschichte fast einzig und allein von dem geschickt inszenierten und genial konstruierten Geheimnis, welches die junge Frau aufstöbern möchte. Doch schon der fast verstolperte Anfang der Erzählung zeigt, dass die Handlung und der Aufbau des Hintergrundes doch einige Schwachstellen zu bieten hat.

Ist man über den holprigen Anfang hinweg, fällt unweigerlich auf, dass die Charaktere nicht wirklich besonders ausgereift sind, eher flach wirken. Zudem stört der angloamerikanische Egozentrismus der ganzen Geschichte. Der Autor kümmert sich kaum einmal um die Reste der Menschheit, erwähnt so gut wie nie etwas von deren Schicksal, zu sehr konzentriert sich die Geschichte allein auf die Britischen Inseln. Aber was ist mit dem Rest der Zwielichtzone, die immerhin rund um den ganzen Planeten gehen müsste, wenn die Erde wirklich eine Kugel ist? ;-)

Großes Plus ist, neben dem hohen Spannungsgehalt, die durchaus interessante Atmosphäre und vor allem viele Anspielungen auf heutige Probleme (Was machen mit Flüchtlingen auf Booten? Reinlassen? Töten? Wegschicken? Und wenn reinlassen, dann versklaven und ausbeuten oder integrieren? Wie umgehen mit Problemen durch den Brexit oder Corona wenn Lieferketten reißen oder Medikamente für immer vom Markt verschwinden, wie hier nach der großen Katastrophe?). Leider schöpft der Autor das Potenzial dieser ganzen Probleme, moralischen Fragestellungen und Dilemmata aber nur sehr ungenügend aus.

Phasenweise ist jedoch zu spüren, dass einige Menschen von ihrem eigenen Überleben auf Kosten anderer angewidert sind, manche haben sich, wie Professor Thorne, aus der Gesellschaft zurückgezogen, wollen nicht mehr länger Teil einer neuen Diktatur unter einem brutalen Alleinherrscher sein, der die Demokratie völlig abgeschafft hat, und dies vielleicht nicht nur, um Wenigen das Überleben zu ermöglichen, wie sich gegen Ende der Geschichte zeigt (mehr soll aber hier nicht verraten werden!).

„The Last Day“ ist ein Buch mit einem durchaus perfiden Plot, nach holperigem Beginn gut lesbar und hoch spannend, aber leider kein wirkliches Meisterwerk und auch in einer Liste gelungener Post-Doomsday-Romane nicht unbedingt unter den besten 30 (vielleicht nicht einmal 50!) zu finden.